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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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Faust zu Brei und Splittern zerplatzte, und immer noch weitermachen.
    Er wand sich behände wie eine Katze, und meine Knöchel trafen auf Erde und Stein, ich konnte ihn nicht finden. Ich fasste ins Dunkle, erwischte irgendein Hemd und hörte es reißen, als er mich mit der Schulter wegstieß. Es gab ein verzweifeltes, wogendes Gerangel, Kiesel spritzten auseinander, ein dumpfer widerlicher Laut, als ein Fuß auf Fleisch traf, ein wütendes Tierfauchen, dann rennende Schritte, schnell und ungleichmäßig, schwächer werdend.
    »Wo –« Eine Faust riss an meinen Haaren. Ich schlug den Arm weg und tastete hektisch nach dem Gesicht, dem rauen Stoppelkinn, fand Stoff und heiße Haut und dann nichts. »Mann, runter –« Ein angestrengtes Ächzen, ein Gewicht, das sich von meinem Rücken hob, dann, jäh und ohrenbetäubend wie eine Explosion: Stille.
    »Wo –«
    Der Mond kam hinter den Wolken hervor, und wir starrten einander an: die Augen weit aufgerissen, dreckig, keuchend. Einen Moment lang erkannte ich die anderen kaum. Rafe rappelte sich hoch, mit gebleckten Zähnen und dunkel schimmerndem Blut unter der Nase. Daniel hingen die Haare ins Gesicht, und quer über seine Wangen zogen sich Streifen aus Dreck und Blut, wie eine Kriegsbemalung. Seine Augen waren schwarze Löcher in dem trügerischen grauen Licht, und beide sahen sie aus wie gefährliche Fremde, Geisterkrieger aus der letzten Schlacht eines untergegangenen wilden Stammes. »Wo ist er?«, flüsterte Rafe, ein langer, bedrohlicher Atemhauch.
    Nichts rührte sich. Bloß ein scheuer kleiner Lufthauch huschte durch den Weißdorn. Daniel und Rafe waren geduckt wie Kämpfer, die Hände locker zu Fäusten geballt und bereit, und ich merkte, dass ich ebenso dastand. In dem Moment hätten wir uns gegenseitig angreifen können.
    Dann verschwand der Mond wieder. Irgendetwas schien aus der Luft zu entweichen, eine Art Surren, zu hell, um es zu hören. Plötzlich waren meine Muskeln wie Wasser, das in der Erde versickert. Wenn ich mir nicht eine Handvoll Hecke gepackt hätte, wäre ich umgefallen. Von einem der Jungs kam ein langes, zittriges Ausatmen, wie ein Schluchzen.
    Schritte kamen hinter uns den Weg heraufgerannt – wir zuckten alle zusammen – und bremsten ein paar Meter von uns entfernt. »Daniel?«, flüstere Justin atemlos und ängstlich. »Lexie?«
    »Wir sind hier«, sagte ich. Ich zitterte am ganzen Körper, so heftig, als hätte ich einen Krampfanfall. Mein Herz flatterte mir so hoch im Hals, dass ich kurz meinte, ich müsste brechen. Irgendwo neben mir würgte Rafe, krümmte sich und spuckte aus. »Überall Dreck –«
    »Um Gottes willen. Seid ihr verletzt? Was ist passiert? Habt ihr ihn erwischt?«
    »Wir haben ihn erwischt«, sagte Daniel mit einem tiefen harten Keuchen, »aber wir konnten die Hand nicht vor Augen sehen, und in dem Durcheinander ist er wieder entwischt. Hat keinen Sinn, ihn zu verfolgen, der ist inzwischen schon fast in Glenskehy.«
    »Oh Gott. Hat er euch was getan? Lexie! Was ist mit deiner Naht?«
    Justin war kurz davor, in Panik zu geraten. »Mir geht’s prima«, sagte ich laut und deutlich, damit das auch ja über das Mikro ging. Ich hatte zwar höllische Schmerzen an den Rippen, aber ich konnte nicht riskieren, dass irgendwer einen Blick darauf werfen wollte. »Mir tun bloß die Hände weh. Ich hab ein paar Volltreffer gelandet.«
    »Ich glaub, einen davon hab ich abgekriegt, du Trottel«, sagte Rafe. Seine Stimme hatte einen überdrehten, albernen Ton angenommen. »Ich hoffe, deine Hände werden dick und blau.«
    »Ich knall dir noch eine, wenn du nicht aufpasst«, sagte ich. Ich tastete meine Rippen ab. Da meine Hand stark zitterte, war ich mir zwar nicht ganz sicher, aber ich glaubte nicht, dass eine gebrochen war. »Justin, du hättest Daniel hören sollen. Er war genial.«
    »Ja, echt«, sagte Rafe und fing an zu lachen. »Ein paar Schläge mit der Pferdepeitsche ? Wie bist du denn da drauf gekommen?«
    »Pferdepeitsche?«, fragte Justin bestürzt. »Wieso Pferdepeitsche? Wer hatte eine Pferdepeitsche?«
    Rafe und ich konnten nicht antworten vor Lachen. »Menschenskind«, brachte ich schließlich heraus. »›Zu Lebzeiten meines Urgroßvaters … ‹«
    »›Als die Bauern noch wussten, wo sie hingehören … ‹«
    »Welche Bauern? Wovon redet ihr denn?«
    »In dem Moment hatte das für mich Hand und Fuß«, sagte Daniel. »Wo ist Abby?«
    »Sie ist beim Tor geblieben, für den Fall, dass er zurückkommt und – oh Gott,

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