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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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nicht vom Himmel gefallen. Davor war sie irgendwo anders, und davor vermutlich auch noch woanders. Irgendwo da draußen gibt es noch mehr Menschen – Gott allein weiß, wie viele –, die sich immer fragen werden, wo sie jetzt ist, ob sie irgendwo zerstückelt verscharrt wurde, ob sie aus dem Gleis geraten und auf der Straße gelandet ist, ob sie ihr überhaupt je was bedeutet haben, Menschen, deren Leben von einem Tag auf den anderen aus den Fugen geraten ist und die wissen wollen, was verdammt nochmal passiert ist. Die waren alle auf Lexies Seite, und sieh dir an, was es ihnen gebracht hat. Jeder, der auf ihrer Seite war, hat am Ende zu leiden gehabt, Cassie, jeder, und dir wird es genauso gehen.«
    »Mir geht es gut, Sam«, sagte ich. Seine Stimme rollte über mich hinweg wie der zarte Saum eines morgendlichen Dunstschleiers, kaum da, kaum real.
    »Beantworte mir eine Frage. Deine letzte ernsthafte Beziehung war, kurz bevor du undercover gegangen bist, hab ich recht? Er hieß Aidan, nicht?«
    »Ja«, sagte ich. »Aidan O’Donovan.« Aidan war ein Glücksfall gewesen: intelligent, lebhaft, erfolgreich, mit einem schrägen Sinn für Humor, und er konnte mich zum Lachen bringen, ganz gleich, wie beschissen mein Tag gewesen war. Ich hatte schon lange nicht mehr an ihn gedacht.
    »Was ist aus ihm geworden?«
    »Wir haben uns getrennt«, sagte ich. »Während ich undercover war.« Für eine Sekunde sah ich wieder Aidans Augen, an dem Abend, als er mit mir Schluss machte. Ich war in Eile, musste zurück in meine Wohnung, um mich noch in der Nacht mit dem Oberkokser zu treffen, der mich dann einige Monate später niederstechen würde. Aidan wartete an der Haltestelle mit mir, bis mein Bus kam, und ich glaube, als ich von der oberen Plattform zu ihm runtersah, hab ich geweint.
    » Weil du undercover warst. Weil genau das passiert.« Sam fuhr herum und sah Frank an: »Was ist mit Ihnen, Mackey? Haben Sie eine Frau? Eine Freundin? Irgendwas?«
    »Wollen Sie mich auf ein Date einladen?«, entgegnete Frank. Seine Stimme klang amüsiert, aber seine Augen waren schmal geworden. »Dann muss ich Sie nämlich warnen. Ich geh nur in Edelrestaurants.«
    »Also nein. Und das hab ich mir gedacht.« Sam fuhr wieder zu mir herum. »Gerade mal drei Wochen, Cassie, und sieh dir an, was mit uns passiert. Willst du das? Was meinst du, was aus uns wird, wenn du für ein Jahr untertauchst, um dieser bescheuerten, absurden Idee nachzujagen?«
    »Versuchen wir’s mal so«, sagte Frank leise, noch immer an die Wand gelehnt. »Sie entscheiden, ob es auf Ihrer Seite der Ermittlungen ein Problem gibt, und ich entscheide, ob es auf meiner Seite ein Problem gibt. Einverstanden?«
    Der Blick in seinen Augen hatte schon Superintendents und Drogenbarone in die Flucht geschlagen, aber Sam schien ihn gar nicht wahrzunehmen. »Nein, verdammt, ich bin nicht einverstanden. Ihre Seite der Ermittlungen ist ein Scheißkatastrophengebiet, und wenn Sie das nicht sehen können, ich kann es Gott sei Dank noch. Ich habe nebenan einen Verdächtigen sitzen, ob er nun unser Mann ist oder nicht, und den habe ich durch Polizei arbeit gefunden. Was haben Sie? Drei Wochen von diesem Irrsinn, und alles umsonst. Und anstatt den Schaden zu begrenzen, wollen Sie uns jetzt auch noch zwingen, den Einsatz zu erhöhen und etwas noch Irrsinnigeres anzuleiern –«
    »Ich zwinge Sie zu gar nichts. Ich frage Cassie – die, wenn ich Sie daran erinnern darf, in diesem Fall als meine verdeckte Ermittlerin fungiert, nicht als Detective des Morddezernats –, ob sie bereit ist, ihren Einsatz auszuweiten.«
    Lange Sommernachmittage im Gras, das Summen von Bienen und das gemächliche Quietschen der Schaukel. Im Kräutergarten knien und ernten, weicher Regen und Herbstrauch in der Luft, der Duft von geschnittenem Rosmarin und Lavendel an meinen Händen. Weihnachtsgeschenke auf dem Boden in Lexies Zimmer einpacken, Schneeflocken vor meinem Fenster, während Rafe Weihnachtslieder auf dem Klavier spielt, Abby in ihrem Zimmer mitsingt und sich der Geruch von Lebkuchen unter meiner Tür hindurchwindet.
    Sam und Frank blickten mich an, starr. Beide waren verstummt. Die Stille im Raum war jäh und tief und friedlich. »Klar«, sagte ich. »Wieso nicht?«
    Naylor hatte inzwischen »Avondale« angestimmt, und hinten, am Ende des Flurs, regte sich Quigley über irgendwas auf. Ich musste daran denken, wie Rob und ich Verdächtige von diesem Beobachtungsraum aus studiert hatten, wie wir lachend

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