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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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ihm rauszukriegen, und warten ab, ob uns das in dem Mordfall irgendwie weiterbringt.«
    »Dem Mann geht es nicht um Geld«, sagte Sam, ohne Frank anzusehen. »Dem geht es um sein Dorf und um das, was Whitethorn House dem Dorf angetan hat.«
    »Also hat er ein Anliegen. Nichts auf der Welt ist gefährlicher als ein Fanatiker. Was glauben Sie, wie weit er für sein Anliegen gehen würde?«
    Darauf muss man gefasst sein, wenn man mit Frank streitet: Er verstellt die Torpfosten so schnell, dass du es gar nicht mitkriegst, und du verlierst ständig aus den Augen, was der eigentliche Anlass für die Diskussion war. Ich wusste nicht, ob er tatsächlich an diese Gaunerei mit den Antiquitäten glaubte oder ob er in dieser Phase einfach nur gewillt war, alles zu versuchen, um Sam auszubooten.
    Sam wirkte allmählich leicht benommen, wie ein Boxer, der zu viele Kopftreffer eingesteckt hat. »Ich glaube nicht, dass er ein Mörder ist«, sagte er beharrlich. »Und ich wüsste auch nicht, warum er ein Hehler sein sollte. Darauf deutet nichts hin.«
    »Fragen wir doch mal Cassie«, schlug Frank vor. Er beobachtete mich genau. Frank war schon immer eine Spielernatur gewesen, aber ich hätte gern gewusst, was ihn bewog, auf dieses Pferd zu setzen. »Was meinst du, Kleines? Besteht die Chance, dass ich mit dieser Antiquitätenschieberei richtigliege?«
    In dieser Sekunde schossen mir tausend Dinge durch den Kopf. Der Beobachtungsraum, den ich wie meine Westentasche kannte, bis hin zu dem Flecken im Teppich, wo ich vor zwei Jahren einen Kaffeebecher hatte fallen lassen und in dem ich jetzt zur Besucherin geworden war. Die Detective-Barbie-Klamotten, die in meinem Schrank hingen, Mahers feuchte Räusperorgie jeden Morgen. Die anderen, die in der Bibliothek auf mich warteten. Der kühle Maiglöckchenduft in meinem Zimmer in Whitethorn House, der mich hauchzart umfing.
    »Könnte sein«, sagte ich, »klar. Würde mich nicht wundern.«
    Sam, der zugegebenermaßen schon einen langen Tag hinter sich hatte, fuhr endlich aus der Haut. »Menschenskind, Cassie! Bist du verrückt geworden? Diesen Schwachsinn kannst du doch nicht ernsthaft glauben. Auf welcher Seite stehst du eigentlich?«
    »Versuchen wir doch bitte, nicht in solchen Kategorien zu denken«, warf Frank tugendhaft ein. Er hatte sich bequem gegen die Wand gelehnt, Hände in den Taschen, um das Geschehen zu beobachten. »Wir stehen alle auf derselben Seite.«
    »Halt dich da raus, Frank«, sagte ich scharf, ehe Sam ihm eine verpassen konnte. »Und Sam, ich bin auf Lexies Seite. Nicht auf Franks, nicht auf deiner, nur auf ihrer. Okay?«
    »Genau das hab ich befürchtet.« Sam bemerkte meinen verblüfften Gesichtsausdruck. »Was denn? Hast du gedacht, ich mache mir nur wegen diesem Arschloch da« – Frank zeigte auf seine Brust und setzte eine gekränkte Miene auf – »Sorgen? Der ist schlimm genug, weiß Gott, aber ich kann ihn wenigstens im Auge behalten. Aber diese Lexie – auf ihrer Seite, das ist ein ganz, ganz schlechter Ort. Ihre Mitbewohner waren auch auf ihrer Seite, und falls Mackey recht hat, hat Lexie sie allesamt verraten und verkauft, ohne mit der Wimper zu zucken. Ihr Freund drüben in Amerika, der war auch auf ihrer Seite, er hat sie geliebt , und sieh dir an, was sie mit ihm gemacht hat. Der arme Kerl ist ein Wrack. Hast du den Brief gelesen?«
    »Brief?«, sagte ich zu Frank. »Welchen Brief?«
    Er zuckte die Achseln. »Chad hat ihr einen Brief geschrieben, über meinen FBI-Freund. Sehr bewegend und so, aber ich hab ihn Wort für Wort durchleuchtet, und da steht nichts drin, was uns weiterhilft. Ich wollte dich nicht ablenken.«
    »Verdammt, Frank! Wenn du irgendwas hast, was mir mehr über sie verrät, egal was –«
    »Wir reden später drüber.«
    »Lies ihn«, sagte Sam. Seine Stimme klang fast wund, und sein Gesicht war weiß, so weiß wie an jenem ersten Tag am Tatort. »Lies den Brief – ich geb dir eine Kopie, falls Mackey es nicht tut. Dieser Chad ist am Boden zerstört. Viereinhalb Jahre ist es her, und er hat seitdem keine Freundin mehr gehabt. Wahrscheinlich wird er nie wieder einer Frau vertrauen. Wie auch? Der ist eines Morgens aufgewacht, und sein ganzes Leben lag in Trümmern. Alles, wovon er geträumt hat, futsch, in Luft aufgelöst.«
    »Wenn Sie nicht wollen, dass ihr Superintendent angerannt kommt«, sagte Frank aalglatt, »sollten Sie sich etwas zurückhalten.«
    Sam hörte ihn gar nicht. »Und nicht zu vergessen, sie ist in North Carolina

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