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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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Lexie erfahren hatte, desto mehr war ich davon ausgegangen, dass sie abtreiben wollte, sobald sie an ihrem nächsten Ziel angekommen wäre, wo auch immer das war. Abby – und Abby hatte sie so gut gekannt, wie das überhaupt möglich war – hatte schließlich dasselbe gedacht. Aber eine Abtreibung in England kostete nur ein paar hundert Pfund. Das Geld hätte Lexie längst durch ihren Job zusammensparen können, sie hätte es eines Nachts aus der Haushaltskasse klauen können, sie hätte ein Darlehen aufnehmen können, um es nie zurückzuzahlen; es bestand keine Notwendigkeit, sich überhaupt mit Ned einzulassen.
    Ein Kind großzuziehen kostet sehr viel mehr. Die Prinzessin des Niemandslandes, die Königin über tausend Schlösser zwischen den Welten, war übergelaufen. Sie war bereit gewesen, die Hände zu öffnen und die größte Bindung von allen anzunehmen. Ich hatte das Gefühl, als würde die Mauer unter mir zu Wasser werden.
    Anscheinend hatte ich ihn angestarrt, als wäre er ein Gespenst. »Ehrlich«, sagte Ned leicht angesäuert, weil er meinen Blick falsch verstanden hatte. »Ich erzähl keinen Scheiß. Zweihundert Riesen ist mein absolutes Topangebot. Ich meine, ich geh immerhin ein Mordsrisiko ein. Wenn wir uns einig werden, muss ich noch mindestens zwei von deinen Freunden rumkriegen. Ich schaff das schon, irgendwie, wenn ich erst mal einen Fuß in der Tür hab, aber trotzdem, das könnte Monate dauern und ein schönes Stück Arbeit werden.«
    Ich presste meine freie Hand nach unten auf die Mauer, fest, spürte, wie sich das raue Mauerwerk in meine Handfläche grub, bis mein Kopf wieder klar war. »Glaubst du wirklich?«
    Seine hellen Augen weiteten sich. »Und ob, Mann. Ich weiß echt nicht, was die für einen Schaden haben. Ich weiß, es sind deine Freunde, und Daniel ist mein Cousin und alles, aber, mal ehrlich, haben die sie noch alle? Schon bei dem Vorschlag, was aus dem Haus zu machen, kreischen sie los wie ein Haufen Nonnen, die einen Exhibitionisten sehen.«
    Ich zuckte die Achseln. »Sie hängen an dem Haus.«
    »Wieso? Ich meine, es ist total runtergekommen, hat nicht mal eine Heizung, und die tun so, als wäre es der reinste Palast. Ist denen denn nicht klar, was sie rausschlagen könnten, wenn sie mit in die Sache einsteigen würden? In dem Haus steckt Potential.«
    Luxuswohnungen in weitläufiger Umlage mit dem Potential zur weiteren Erschließung … Einen kurzen Moment verachtete ich sowohl Lexie als auch mich dafür, dass wir mit diesem Schleimscheißer verhandelten, weil es unseren Zwecken diente. »Ich bin die Schlaue von uns fünf«, sagte ich. »Wenn du das Haus hast, was machst du dann mit dem ganzen Potential?«
    Ned sah mich verdutzt an. Vermutlich hatten Lexie und er schon darüber geredet. Ich blickte ausdruckslos, und anscheinend gab ihm das ein trautes Gefühl. »Kommt auf die Baugenehmigung an. Ich meine, im Idealfall wird’s ein Golfclub oder ein Wellnesshotel, so was in der Art. Das bringt langfristig die größten Gewinne, vor allem, wenn ich einen Hubschrauberlandeplatz durchkriege. Ansonsten schwebt mir eine Superluxusapartmentanlage vor.«
    Ich dachte daran, ihm einen Tritt in die Eier zu verpassen und wegzulaufen. Ich war darauf gefasst gewesen, dass sich der Kerl als Kotzbrocken entpuppen würde, und er hatte mich nicht enttäuscht. Ned ging es nicht um Whitethorn House, das war ihm scheißegal, egal, was er vor Gericht behauptet hatte. Ihm lief das Wasser im Munde zusammen, wenn er sich vorstellte, das Haus auszuschlachten, ihm die Seele herauszureißen, sein Gerippe freizulegen und auch noch den letzten Blutstropfen aufzuschlürfen. John Naylors Gesicht blitzte vor mir auf, geschwollen und verfärbt, erhellt von diesen visionären Augen. Können Sie sich vorstellen, was das für Glenskehy bedeutet hätte? Im tiefsten Grund, tiefer und machtvoller als die Tatsache, dass sie sich gegenseitig bis aufs Blut hassen würden, waren er und Ned zwei Seiten derselben Medaille. Wenn die ihre Sachen packen und abhauen, hatte Naylor gesagt, will ich dabei sein und ihnen hinterherwinken . Wenigstens war er bereit gewesen, für das, was er wollte, seinen Kopf hinzuhalten, nicht bloß sein Bankkonto.
    »Genial«, sagte ich. »Ich meine, es ist total wichtig, ein Haus nicht einfach so rumstehen und bewohnen zu lassen.«
    Der Sarkasmus entging Ned. »Natürlich braucht man jede Menge Investmentkapital, um so was hochzuziehen«, sagte er hastig, damit ich meine Forderung nicht noch

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