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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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richtig furchtbar, nicht bloß … Es ist entsetzlich. Gruselig. Kann nicht jemand anders mitgehen?«
    »Oder, Lexie«, schlug Daniel hilfsbereit vor, »bleib doch zu Hause, wenn du Angst hast rauszugehen.«
    »Nein, nein. Wenn ich hier noch länger rumhocke, dreh ich durch.«
    »Ich komm mit«, sagte Abby. »Plausch unter Frauen.«
    »Nichts für ungut«, sagte Daniel mit einem leichten, liebevollen Lächeln in Richtung Abby, »aber ich glaube, ein irrer Mörder wird sich von euch beiden nicht ganz so abschrecken lassen, wie es wünschenswert wäre. Wenn du ängstlich bist, Lexie, solltest du lieber jemanden mitnehmen, der groß und kräftig ist. Wie wär’s, wenn ich mitkomme?«
    Rafe hob den Kopf. »Wenn du gehst«, sagte er zu Daniel, »dann komm ich auch mit.«
    Angespannte Stille trat ein. Rafe starrte Daniel frostig an, Daniel erwiderte den Blick ungerührt. »Warum?«, fragte er.
    »Weil er ein Schwachkopf ist«, sagte Abby zu ihrem Buch. »Ignorier ihn, dann verschwindet er vielleicht oder hält zumindest die Klappe. Wäre das nicht mal toll?«
    »Ich will euch zwei gar nicht dabeihaben«, sagte ich. Ich hatte damit gerechnet, dass Daniel vielleicht versuchen würde mitzukommen. Allerdings hatte ich nicht einkalkuliert, dass Justin eine seltsame, rätselhafte Phobie vor Feldwegen hatte. »Ihr motzt euch sowieso nur gegenseitig an, und darauf hab ich keinen Bock. Ich will, dass Justin mitgeht. Ich krieg ihn gar nicht mehr zu Gesicht.«
    Rafe schnaubte. »Du kriegst ihn den ganzen Tag zu Gesicht, jeden Tag. Wie viel Justin kann ein Mensch verkraften?«
    »Das ist was anderes. Wir haben seit einer Ewigkeit nicht mehr richtig miteinander geredet.«
    »Lexie, ich kann da nicht raus, mitten in der Nacht«, sagte Justin. Er sah aus, als er litte er echte Schmerzen. »Ich würde ja, ehrlich, aber ich kann einfach nicht.«
    »Na denn«, sagte Daniel und legte sein Buch hin. Ein Funkeln lag in seinen Augen, fast so etwas wie ein gequälter, müder Triumph: eins zu eins. »Gehen wir?«
    »Vergesst es«, sagte ich und funkelte sie alle angewidert an. »Vergesst es einfach. Egal. Bleibt ruhig hier und motzt und meckert, ich geh allein, und wenn mir wieder einer ein Messer in den Bauch rammt, seid ihr hoffentlich zufrieden.«
    Kurz bevor ich die Küchentür so laut zuknallte, dass die Scheiben klirrten, hörte ich, dass Rafe anfing, etwas zu sagen, und Abby ihm leise und heftig ins Wort fiel: »Halt die Klappe.« Als ich mich hinten im Garten umdrehte, hatten alle vier wieder die Köpfe über ihre Bücher gebeugt, jeder im Lichtkegel seiner Lampe, schimmernd, umschlossen, unberührbar.

    Der Nachthimmel hatte sich zugezogen, die Luft war dick und unbeweglich wie eine nasse Bettdecke, die über die Hügel geworfen worden war. Ich ging schnell, um außer Atem zu kommen, damit ich mir irgendwann vormachen konnte, dass die Anstrengung der Grund war, warum mein Herz raste. Ich dachte an die große imaginäre Uhr, die ich in den ersten Tagen irgendwo im Hintergrund gespürt und die mich angetrieben hatte. Irgendwann danach hatte sie sich in nichts aufgelöst, und ich war den süßen, langsamen Rhythmen von Whitethorn House verfallen, hatte alle Zeit der Welt gehabt. Jetzt war sie wieder da, tickte unbarmherzig und wurde jede Minute lauter, raste auf irgendeine riesige, schattenhafte Stunde null zu.
    Ich rief Frank von irgendwo auf einem der Feldwege an – schon der Gedanke, auf meinen Baum zu klettern, an ein und demselben Ort zu bleiben, machte mich völlig nervös. »Da bist du ja«, sagte er. »Was ist denn los, bist du einen Marathon gelaufen?«
    Ich lehnte mich gegen einen Baumstamm und versuchte, möglichst wieder normal zu atmen. »Hab ein strammes Tempo vorgelegt, gegen meinen Kater. Um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.«
    »Immer eine gute Idee«, stimmte Frank zu. »Zunächst einmal, Kleines, gut gemacht, gestern Abend. Dafür spendier ich dir’n schicken Cocktail, wenn du nach Hause kommst. Ich glaube, du hast uns vielleicht genau den Durchbruch verschafft, den wir brauchen.«
    »Vielleicht. Freuen wir uns lieber nicht zu früh. Könnte sein, dass Ned mich verscheißert. Er will Lexies Anteil am Haus kaufen, sie lässt ihn abblitzen, er beschließt, es noch einmal zu probieren, dann erwähne ich den Gedächtnisverlust, und er sieht seine Chance, mir weiszumachen, wir hätten uns schon geeinigt … Er ist kein Einstein, aber er ist auch kein Idiot, zumindest, wenn’s ums Verhandeln geht.«
    »Kann sein«,

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