Totengleich
wir benutzen, wenn wir jemanden nervös machen wollen. Und es funktionierte: Ich wurde von Minute zu Minute kribbeliger. Frank könnte in der Zwischenzeit da draußen Gott weiß was anstellen, meine Tarnung auffliegen lassen, den anderen von dem Baby erzählen oder dass wir über Ned Bescheid wussten, alles. Ich wusste, dass ich genauso reagierte, wie er es wollte, genau wie eine Verdächtige, aber statt mich zur Besinnung zu bringen, machte mich das nur noch wütender. Ich konnte der Kamera nicht mal erzählen, was ich von der ganzen Situation hielt, denn es war ihm durchaus zuzutrauen, dass er einen von den anderen zuschauen ließ und darauf baute, dass ich genau das tat.
Ich tauschte die Stühle aus – Frank hatte mir natürlich den gegeben, bei dem an einem Bein die Kappe fehlte, damit Verdächtige unbequem saßen. Ich hätte am liebsten in die Kamera gebrüllt: Ich hab hier gearbeitet, du Blödmann, das hier ist mein Revier, den Scheiß kannst du dir sparen. Stattdessen holte ich einen Stift aus meiner Jackentasche und vertrieb mir die Zeit damit, in schnörkeligen Buchstaben Lexie war hier an die Wand zu schreiben. Das holte niemanden hinter dem Ofen hervor, aber eigentlich hatte ich auch nicht damit gerechnet: Die Wände waren im Laufe der Jahre mit zahllosen Autogrammen und Zeichnungen und anatomisch schwierig auszuführenden Anregungen beschmiert worden. Ein paar Namen erkannte ich wieder.
Ich fand es furchtbar. Ich war so oft in diesem Raum gewesen, Rob und ich hatten hier Verdächtige mit der fehlerlosen, telepathischen Koordination zweier Jäger bearbeitet, die auf den richtigen Augenblick lauern. Ohne ihn fühlte ich mich hier, als hätte jemand meine Organe ausgeschlachtet, als würde ich gleich in mich zusammensinken, zu hohl, um noch stehen zu können. Schließlich drückte ich den Stift so fest in die Wand, dass die Spitze abbrach. Ich pfefferte den Rest quer durch den Raum in Richtung Kamera und traf sie mit einem Knall, aber selbst danach fühlte ich mich keinen Deut besser.
Als Frank endlich beschloss, mich zu beehren, schäumte ich längst vor Wut. »Mann, Mann, Mann«, sagte er, griff nach oben zu der Kamera und stellte sie aus. »Schon komisch, dich hier zu treffen. Setz dich.«
Ich blieb stehen. »Was zum Henker soll der Scheiß?«
Seine Augenbrauen hoben sich. »Ich verhöre Verdächtige. Was denn, brauch ich jetzt schon deine Erlaubnis dafür?«
»Du könntest mich zumindest vorwarnen, statt mich ins offene Messer rennen zu lassen. Ich mache die Sache nicht zum Spaß, Frank, ich arbeite, und das hier könnte mir alles kaputtmachen.«
»Arbeiten? Nennen die jungen Leute das heutzutage so?«
»Du hast es so genannt. Ich mache genau das, was du von mir wolltest, und jetzt, wo ich endlich einen Schritt weiterkomme, wirfst du mir Knüppel zwischen die Beine, wieso?«
Frank lehnte sich gegen die Wand und verschränkte die Arme. »Wenn du unfair spielen willst, kann ich das auch, Cass. Macht weniger Spaß, wenn du selbst die Leidtragende bist, nicht?«
Im Grunde wusste ich, dass er nicht unfair spielte, nicht richtig. Schön, er ließ mich hier schmoren, damit ich darüber nachdenken konnte, was ich getan hatte: So stinksauer wie er war – und zwar zu Recht –, hätte er mir wahrscheinlich am liebsten eins aufs Auge gehauen, und ich wusste genau, wenn es mir nicht gelang, in letzter Sekunde einen spektakulären Erfolg hinzulegen, blühte mir gewaltiger Ärger, wenn ich meinen Einsatz am nächsten Tag beendete. Aber so wütend er auch war, er hätte nie etwas getan, das den Fall gefährden würde. Und ich wusste, kühl wie Schnee unter all meiner Toberei, dass ich mir das zunutze machen konnte.
»Okay«, sagte ich, holte Luft und fuhr mir mit den Händen durchs Haar. »Okay. In Ordnung. Das hab ich verdient.«
Er lachte, ein kurzes, gepresstes Bellen. »Lass mich lieber nicht damit anfangen, was du verdient hast. Ist besser so.«
»Ich weiß, Frank«, sagte ich. »Und wenn wir die Zeit dafür haben, kannst du mir die Hölle heiß machen, so lange du willst, aber nicht jetzt. Wie kommst du mit den anderen weiter?«
Er zuckte die Achseln. »Wie zu erwarten war.«
»Mit anderen Worten, gar nicht.«
»Glaubst du?«
»Ja, allerdings. Ich kenne die vier. Du kannst sie in die Mangel nehmen, bis du in Rente gehst, und bist noch immer keinen Schritt weiter.«
»Möglich«, sagte Frank unverbindlich. »Das bleibt abzuwarten, oder? Ich habe noch ein paar Jährchen bis zur Rente.«
»Ach,
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