Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
Vom Netzwerk:
die Gestalt in Der Schrei «, sagte Rafe, »nur verdreckter. Und er redete absolut wirres Zeug, die Hälfte von dem, was aus seinem Mund kam, war unverständlich, als würde er in Zungen reden. Wir haben bloß kapiert, dass er zurückmusste und dass Daniel gesagt hatte, wir sollten bleiben, wo wir waren. Ich persönlich hab gedacht, von wegen, ich will wissen, was los ist, aber als ich mir meinen Mantel anziehen wollte, haben Justin und Abby so einen Aufstand gemacht, dass ich es bleibenließ.«
    »Und das war auch gut so«, sagte Abby kühl. Sie arbeitete wieder an der Puppe, die Haare fielen ihr ins Gesicht, versteckten es, und selbst von der anderen Seite des Raumes konnte ich sehen, dass ihre Stiche groß und schlampig und nutzlos waren. »Was hättest du auch großartig machen können, wenn du mitgegangen wärst?«
    Rafe zuckte die Achseln. »Das werden wir nie wissen, nicht? Ich kenne das Cottage. Wenn Justin gesagt hätte, wo er hinwill, hätte ich an seiner Stelle gehen können, und er hätte hierbleiben und sich beruhigen können. Aber das hatte Daniel offenbar nicht im Sinn.«
    »Er wird seine Gründe gehabt haben.«
    »Oh, ganz sicher«, sagte Rafe. »Davon bin ich überzeugt. Justin hat also ein bisschen rumgezetert, ein paar Sachen geschnappt, noch ein bisschen gestammelt, und schon war er wieder weg.«
    »Ich kann mich nicht erinnern, wie ich zurück zum Cottage gekommen bin«, sagte Justin. »Hinterher war ich jedenfalls verdreckt bis zu den Knien, vielleicht bin ich gestürzt, ich weiß es nicht, und meine Hände waren übersät mit Kratzern. Wahrscheinlich hab ich mich an den Hecken festgehalten, um auf den Beinen zu bleiben. Daniel saß noch immer neben dir, als hätte er sich nicht bewegt, seit ich losgegangen war. Er sah zu mir hoch – auf seiner Brille war Regen –, und weißt du, was er gesagt hat? Er hat gesagt: ›Der Regen kommt uns ganz recht. Falls er anhält, ist von Blut oder Fußspuren nichts mehr übrig, wenn die Polizei hier auftaucht.‹«
    Rafe bewegte sich, eine jähe und unruhige Gewichtsverlagerung, die die Sofafedern ächzen ließ.
    »Ich hab bloß dagestanden und ihn angestarrt. Ich hatte nur ›Polizei‹ gehört, und mir war ehrlich schleierhaft, was die Polizei mit der Sache zu tun haben sollte, aber es hat mir trotzdem eine Heidenangst eingejagt. Er hat mich von oben bis unten gemustert und dann gesagt: ›Du trägst keine Handschuhe. ‹«
    »Wo Lexie direkt neben ihm saß«, sagte Rafe zu niemand Bestimmtem. »Wie reizend.«
    »Ich hatte die Handschuhe völlig vergessen. Ich meine, ich war … na, das könnt ihr euch ja inzwischen vorstellen. Daniel hat geseufzt und ist aufgestanden – er hatte es nicht mal besonders eilig – und hat seine Brille mit einem Taschentuch geputzt. Dann hat er mir das Taschentuch hingehalten, und ich wollte es nehmen, weil ich dachte, ich sollte mir auch die Brille putzen, aber er hat es weggerissen und ziemlich gereizt gesagt: ›Schlüssel?‹ Ich hab sie ihm gegeben, und er hat sie abgewischt. Und da ist mir endlich aufgegangen, wozu er das Taschentuch brauchte. Dann hat er … « Justin bewegte sich in seinem Sessel, als würde er nach irgendetwas suchen, wüsste aber nicht mehr genau, nach was. »Kannst du dich wirklich an nichts mehr davon erinnern?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich und zuckte heftig mit den Schultern. Ich sah ihn noch immer nicht richtig an, nur aus den Augenwinkeln, und das machte ihn nervös. »Wenn ja, würde ich dich ja wohl nicht fragen, oder?«
    »Okay. Okay.« Justin schob seine Brille höher auf die Nase. »Also. Daniel hat … Du hattest die Hände irgendwie im Schoß liegen, und sie waren voller … Jedenfalls, er hat einen Arm von dir am Ärmel angehoben, damit er die Schlüssel in deine Jackentasche stecken konnte. Dann hat er losgelassen, und dein Arm ist einfach runtergefallen , Lexie, wie bei einer Stoffpuppe, und hat so ein schreckliches dumpfes Geräusch gemacht … Danach konnte ich nicht mehr hinsehen, es ging nicht mehr. Ich hab die Taschenlampe weiter auf – auf dich gerichtet, damit er was sehen konnte, aber ich hab den Kopf weggedreht und auf das Feld geguckt. Ich hab gehofft, dass Daniel vielleicht denkt, ich würde aufpassen, ob jemand kommt. Er hat gesagt: ›Portemonnaie‹, und dann: ›Taschenlampe‹, und ich hab ihm beides gegeben, aber ich weiß nicht, was er damit gemacht hat. Ich hab bloß so raschelnde Laute gehört, aber ich hab versucht, es mir nicht vorzustellen … «
    Er sog

Weitere Kostenlose Bücher