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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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seinen Fuß auf dem Gaspedal, und ich meinte, ihn da draußen spüren zu können, wie er mit jeder Sekunde näher kam, das schwindelerregende Tempo der Straße unter seinen Reifen.
    »Und dann?«, fragte ich. »Seid ihr einfach ins Bett gegangen?«
    Sie blickten einander an. Justin fing an zu lachen, ein heller, hilfloser Klang, und einen Augenblick später fielen die anderen mit ein.
    »Was ist?«, sagte ich.
    »Ich weiß nicht, worüber wir lachen«, sagte Abby, wischte sich die Augen und versuchte, sich wieder zu beruhigen und ernst auszusehen, mit der Folge, dass sie alle erneut losprusteten. »Oh Mann … Es war nicht komisch, absolut nicht. Es war bloß … «
    »Du wirst es nicht glauben«, sagte Rafe. »Wir haben Poker gespielt.«
    »Ja, stimmt. Wir haben an dem Tisch gesessen –«
    »– und jedes Mal fast einen Herzinfarkt gekriegt, wenn der Regen gegen das Fenster klatschte.«
    »Justin haben die ganze Zeit die Zähne geklappert, ich hatte das Gefühl, neben mir sitzt einer mit Rumba-Rasseln.«
    »Und als die Tür vom Wind geklappert hat? Und Daniel mit seinem Stuhl umgekippt ist?«
    »Musst du gerade sagen. Ich konnte fast die ganze Zeit sehen, was für Karten du auf der Hand hattest. Ich hätte dir jeden Penny abnehmen können.«
    Sie redeten übereinander hinweg, plapperten wie eine Schar Teenager, die nach einer wichtigen Klausur aus dem Klassenzimmer stürmen, albern vor Erleichterung. »Oh Mann«, sagte Justin, schloss die Augen und drückte sich das Glas an die Schläfe. »Was für ein beknacktes Kartenspiel. Mir klappt immer noch die Kinnlade runter, wenn ich nur dran denke. Daniel hat dauernd gesagt: ›Das einzige verlässliche Alibi ist ein tatsächlicher Ablauf von Ereignissen.‹«
    »Wir anderen konnten kaum in ganzen Sätzen reden«, sagte Rafe, »und er schwadroniert philosophisch über die Kunst des Alibis. Ich hätte nicht mal ›verlässliches Alibi‹ sagen können.«
    »– er hat uns sogar dazu gebracht, die Uhren zurück auf elf zu stellen, auf die Zeit, kurz bevor der ganze Horror losging, und wieder in die Küche zu gehen und den Abwasch zu Ende zu machen, und dann hat er darauf bestanden, dass wir hier im Wohnzimmer Karten spielen. Als wäre nichts passiert.«
    »Er hat für dich mitgespielt«, sagte Abby. »Als du einmal ein ganz anständiges Blatt hattest und er noch ein besseres, hat er dich hoch pokern lassen und dann abserviert. Es war unglaublich.«
    »Und er hat einen laufenden Kommentar gesprochen«, sagte Rafe. Er langte nach der Wodkaflasche und schenkte sich nach. In dem diesigen Nachmittagslicht, das durch die Fenster hereinfiel, sah er schön und verrucht aus, offener Hemdkragen und goldene Haarsträhnen, die ihm in die Augen fielen, wie ein Dandy, der die ganze Nacht durchgefeiert hat. »›Lexie erhöht, Lexie steigt aus, Lexie würde jetzt wieder ein Glas Wein brauchen, könnte ihr bitte jemand die Flasche rüberreichen … ‹< Er kam mir vor wie ein Spinner, der neben einem auf der Parkbank sitzt und seinen imaginären Freund mit Stückchen von seinem Sandwich füttert. Nachdem er dich aus der Partie geschmissen hatte, mussten wir so eine kleine Szene durchspielen, in der du zu deinem Spaziergang aufgebrochen bist und wir zum Abschied ins Nichts gewunken haben … Ich hab gedacht, wir verlieren komplett den Verstand. Ich weiß noch, ich hab da auf dem Stuhl gesessen und höflich tschüs Richtung Tür gesagt und ganz klar und ruhig gedacht: So fühlt sich also Wahnsinn an .«
    »Da war es bestimmt schon drei Uhr morgens«, sagte Justin, »aber Daniel wollte uns nicht ins Bett gehen lassen. Wir mussten weiter Texas Hold’em spielen, bis zum bitteren Ende. Daniel hat natürlich gewonnen, er konnte sich als Einziger von uns konzentrieren, aber er hat eine Ewigkeit gebraucht, uns plattzumachen. Ehrlich, ich hab hundsmiserabel gespielt, bin mit einem Flush auf der Hand ausgestiegen und hab mit einem Ten-High erhöht und so weiter. Ich hab vor Erschöpfung doppelt gesehen, und das Ganze kam mir vor wie ein grässlicher Alptraum, und ich hab ständig gedacht, ich muss aufwachen. Wir haben die Klamotten zum Trocknen vor den Kamin gehängt, und der Raum hätte eine Kulisse von Nebel des Grauens sein können, die dampfenden Klamotten und das knisternde Feuer und wir, die wir alle Daniels furchtbare Filterlose gequalmt haben.«
    »Er wollte mich nicht gehen lassen, um normale zu holen«, sagte Abby. »Er meinte, wir müssten alle zusammenbleiben, und außerdem wäre dann

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