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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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auf den Aufnahmen von den Überwachungskameras an der Tankstelle zu sehen, wie spät ich da gewesen war, und das würde alles ruinieren … Er war wie ein General.« Rafe schnaubte. »Doch, war er. Wir anderen konnten kaum unsere Karten halten, so gezittert haben wir.«
    »Justin musste sich zwischendurch mal übergeben«, sagte Rafe, eine Zigarette im Mund, und wedelte das Streichholz aus. »In die Küchenspüle, pikanterweise.«
    »Ich konnte es nicht verhindern«, sagte Justin. »Ich musste immerzu daran denken, wie du dalagst, im Dunkeln, mutterseelenallein –« Er streckte eine Hand aus und drückte mir den Arm. Ich legte kurz meine Hand auf seine, und sie fühlte sich kühl und knochig an und zitterte heftig.
    »Wir alle mussten immerzu daran denken«, sagte Abby, »aber Daniel … ich hab ihm angesehen, wie viel ihn das gekostet hat – sein Gesicht war ganz eingefallen, als wäre er seit dem Abendessen abgemagert, und seine Augen sahen irgendwie falsch aus, ganz groß und schwarz –, aber er war so ruhig, als wäre nichts passiert. Justin hat angefangen, die Spüle sauberzumachen –«
    »Dabei musste er immer noch würgen«, sagte Rafe. »Ich hab’s gehört. Ich glaub, von uns fünf hattest du den nettesten Abend, Lexie.«
    »– aber Daniel hat gesagt, er soll das mit der Spüle bleibenlassen. Er meinte, das würde den ganzen Zeitablauf in unseren Köpfen durcheinanderbringen.«
    »Anscheinend«, klärte Rafe mich auf, »ist das Wesentliche des Alibis seine Einfachheit. Je weniger Schritte man auslassen oder erfinden muss, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, einen Fehler zu machen. Er hat immer wieder gesagt: ›Wie die Dinge liegen, müssen wir uns bloß merken, dass wir gleich nach dem Spülen Karten gespielt haben, alles dazwischen müssen wir aus unseren Köpfen tilgen. Es ist nie passiert.‹ Mit anderen Worten, komm wieder rein und spiel weiter, Justin. Der arme Kerl war grün .«
    Daniel hatte recht gehabt, was das Alibi anging. Er war gut darin, zu gut. In diesem Moment musste ich an meine Wohnung denken, daran, wie Sam in sein Notizbuch schrieb und die Luft draußen vor dem Fenster sich dunkelblau trübte und ich ein Profil des Täters erstellte: jemand mit krimineller Erfahrung.
    Sam hatte alle Bewohner von Whitethorn House durch den Computer jagen lassen, aber der hatte lediglich ein paar Strafzettel wegen überhöhter Geschwindigkeit ausgespuckt. Ich hatte keine Ahnung, was für Überprüfungen Frank in seiner heimlichen, komplizierten, inoffiziellen Welt angestellt hatte, wie viel er herausgefunden und für sich behalten hatte und wie viel selbst ihm entgangen war. Wer unter all den Anwärtern der beste Geheimnisbewahrer war.
    »Er wollte uns nicht mal das Messer aufheben lassen«, sagte Justin. »Es lag die ganze Zeit da, während wir Karten gespielt haben. Ich saß mit dem Rücken zur Küche, und ich schwöre, ich konnte es hinter mir spüren , wie in einer Geschichte von Poe. Rafe saß mir gegenüber, und er hat ständig gezuckt und geblinzelt, wie bei einem nervösen Tick –«
    Rafe verzog ungläubig das Gesicht. »Stimmt gar nicht.«
    »Doch. Und wie du gezuckt hast, exakt jede Minute. Es wirkte jedes Mal so, als hättest du hinter mir irgendwas Beängstigendes gesehen, und ich hab mich nicht getraut, mich umzudrehen, aus Angst, das Messer würde in der Luft hängen und glühen oder pulsieren oder was weiß ich –«
    »Ach du lieber Himmel. Lady Macbeth lässt grüßen –«
    »Mein Gott«, sagte ich plötzlich. »Das Messer. Ist es noch – ich meine, haben wir damit gegessen … « Ich deutete mit einer Handbewegung vage Richtung Küche, schob mir dann einen Fingerknöchel zwischen die Zähne und biss zu. Es war nicht gespielt. Der Gedanke, dass jede Mahlzeit, die ich hier gegessen hatte, mit unsichtbaren Spuren von Lexies Blut durchzogen war, schlug langsame Purzelbäume in meinem Kopf.
    »Nein«, sagte Abby rasch. »Um Gottes willen, nein. Daniel hat es verschwinden lassen. Nachdem wir alle ins Bett gegangen waren, oder jedenfalls in unsere Zimmer –«
    »Gute Nacht, Mary Ellen«, sagte Rafe. »Gute Nacht, Jim Bob. Schlaft schön. Meine Fresse.«
    »– ist er gleich wieder nach unten. Ich hab ihn auf der Treppe gehört. Ich hab gar nicht gewusst, was er da unten gemacht hat, aber am nächsten Morgen gingen die Uhren wieder richtig, die Spüle war blitzblank, der Küchenboden sauber – er sah aus, als wäre er geschrubbt worden, der ganze Boden, nicht bloß die eine

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