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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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fix und fertig und verkatert, dass uns richtig schwindelig war, wir konnten keinen klaren Gedanken fassen, konnten nicht mal klar sehen . Wir konnten uns nicht einigen, ob wir die Polizei anrufen und dich als vermisst melden sollten oder was. Rafe und Justin wollten das machen –«
    »– anstatt dich in dieser rattenverseuchten Bruchbude liegen zu lassen, bis irgendein Bauer aus der Gegend zufällig über dich stolpert«, sagte Rafe und schüttelte dabei Abbys Feuerzeug. »Ich weiß, ich weiß, verrückter Gedanke.«
    »– aber Daniel meinte, das würde einen komischen Eindruck machen, du wärst schließlich alt genug, frühmorgens einen Spaziergang zu machen oder auch mal einen Tag die Uni blauzumachen. Er hat dein Handy angerufen – es lag natürlich in der Küche, direkt vor unserer Nase, aber er meinte, es wäre gut, wenn ein Anruf drauf wäre.«
    »Er hat darauf bestanden, dass wir frühstücken «, sagte Justin.
    »Und diesmal hat Justin es sogar bis zum Klo geschafft«, sagte Rafe.
    »Wir haben uns die ganze Zeit gestritten«, sagte Abby. Sie hatte wieder die Puppe zur Hand genommen und angefangen, ihr systematisch, unbewusst das Haar zu flechten, immer wieder. »Ob wir frühstücken sollten, ob wir die Polizei anrufen sollten, ob wir ganz normal zur Uni fahren oder lieber auf dich warten sollten – ich meine, das Nächstliegende wäre gewesen, wenn Daniel oder Justin auf dich gewartet hätten und wir anderen zur Uni gefahren wären, aber das konnten wir nicht. Der Gedanke, uns aufzuteilen … Wir waren drauf und dran, uns gegenseitig an die Gurgel zu gehen – Rafe und ich haben uns angebrüllt, richtig angebrüllt –, aber sobald der Vorschlag kam, wir sollten was getrennt machen, habe ich buchstäblich weiche Knie gekriegt.«
    »Weißt du, was ich gedacht hab?«, sagte Justin fast flüsternd. »Ich hab am Fenster gestanden, während ihr drei euch gezofft habt, und rausgeschaut und darauf gewartet, dass die Polizei oder sonst wer kommt, und da ist mir klargeworden: Es könnte Tage dauern. Es könnte Wochen dauern. Die Warterei könnte Wochen so weitergehen. Lexie könnte Gott weiß wie lange da liegen … Ich wusste, dass ich nicht mal den einen Tag an der Uni durchstehen würde, völlig ausgeschlossen, geschweige denn Wochen. Und ich hab gedacht, eigentlich sollten wir jetzt aufhören zu streiten und eine Bettdecke holen und uns drunterlegen, alle vier zusammen, und das Gas aufdrehen. Genau das wollte ich machen.«
    »Wir haben nicht mal Gas«, fauchte Rafe. »Sei nicht so verdammt melodramatisch.«
    »Ich glaube, das ging uns allen durch den Kopf – was wir machen würden, wenn du nicht schnell gefunden würdest –, aber keiner wollte es ansprechen«, sagte Abby. »Deshalb war es im Grund eine Riesenerleichterung, als die Polizei kam. Justin hat sie als Erster gesehen, durchs Fenster. Er hat gesagt: ›Da kommt wer‹, und wir sind alle erstarrt, mitten in unserer Anbrüllerei. Rafe und ich wollten zum Fenster, aber Daniel hat gesagt: ›Alle hinsetzen. Los.‹ Also haben wir uns alle an den Küchentisch gesetzt, als wären wir gerade mit dem Frühstück fertig, und haben gewartet, dass es an der Tür klingelt.«
    »Daniel hat aufgemacht«, sagte Rafe, »klaro. Er war eiskalt. Ich konnte ihn in der Diele hören: Ja, Alexandra Madison wohnt hier, und nein, wir haben sie seit gestern Abend nicht mehr gesehen, und nein, es hat keinen Streit gegeben, und nein, wir machen uns keine Sorgen um sie, wir wissen bloß nicht, ob sie heute zur Uni kommt, und was ist denn los, Officers, und dann dieser besorgte Ton, der sich allmählich in seine Stimme schlich … Er war perfekt . Es war absolut beängstigend.«
    Abbys Augenbrauen hoben sich. »Wär’s dir lieber gewesen, er hätte herumgestammelt?«, fragte sie. »Was meinst du, was passiert wäre, wenn du an die Tür gegangen wärst?«
    Rafe zuckte die Achseln. Er hatte angefangen, wieder mit den Karten herumzuspielen.
    »Irgendwann«, sagte Abby, als klar war, dass er nicht antworten würde, »hab ich mir gedacht, wir sollten vielleicht auch in die Diele gehen, dass es komisch wirken würde, wenn wir das nicht täten. Mackey und O’Neill waren da – Mackey lehnte an der Wand, und O’Neill machte sich Notizen –, und sie haben mir einen Heidenschiss eingejagt. Keine Uniformen, der Gesichtsausdruck, der absolut nichts verriet, und die Art, wie sie geredet haben – als wäre keine Eile, als könnten sie sich Zeit lassen, so viel sie wollten … Ich hatte

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