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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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Stelle. Die Schuhe, die von Daniel und Justin, die sie auf der Terrasse gelassen hatten, standen im Garderobenschrank, und sie waren auch sauber. Nicht pieksauber, bloß so, wie wenn wir sie normalerweise putzen, und trocken, als hätte er sie vor den Kamin gestellt. Die Anziehsachen waren alle gebügelt und gefaltet, und das Messer war weg.«
    »Was war es für eins?«, fragte ich ein bisschen zittrig, noch immer mit dem Finger zwischen den Zähnen.
    »Bloß eins von diesen schäbigen alten Steakmessern mit Holzgriff«, sagte Abby sanft. »Schon gut, Lex. Es ist weg.«
    »Ich will nicht, dass es im Haus ist.«
    »Ich weiß. Ich auch nicht. Aber ich bin ziemlich sicher, dass Daniel es entsorgt hat. Nicht hundertprozentig sicher, aber ich hab die Haustür gehört, daher schätz ich, er hat es rausgebracht.«
    »Wohin? Er hat’s doch hoffentlich nicht im Garten vergraben! Ich will es ganz weit weg haben.« Meine Stimme zitterte jetzt stärker. Frank, der irgendwo lauschte und Gut, weiter so, Mädchen flüsterte.
    Abby schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht genau. Er war ein paar Minuten weg, und ich glaube nicht, dass er es auf dem Grundstück vergraben hat, aber wenn du willst, frag ich ihn. Ich kann ihm sagen, wenn es noch hier irgendwo in der Nähe ist, soll er es weiter wegbringen.«
    Ich hob eine Schulter. »Von mir aus. Ja, sag ihm das.«
    »Ich hab gar nicht gehört, dass er nach unten gegangen ist«, sagte Justin. »Ich … oh Mann. Ich will nicht mal mehr dran denken. Ich hab auf der Kante von meinem Bett gehockt, Licht aus, und mich hin- und hergewiegt. Das ganze Pokerspiel hindurch hatte ich nur weggewollt, ich hätte schreien können, so dringend wollte ich weg, nur noch allein sein, aber als ich dann allein war, fand ich das noch schlimmer. Das Haus hat ständig geächzt und geknarrt, durch den Wind und Regen, aber ich schwöre, es hat sich genauso angehört, als wärst du oben dabei, dich bettfertig zu machen. Einmal« – er schluckte mit verkrampften Kiefermuskeln –, »einmal hab ich dich sogar summen gehört. ›Black Velvet Band‹, ausgerechnet. Ich wollte schon – wenn ich aus meinem Fenster schaue, kann ich sehen, ob bei dir Licht brennt, es scheint auf den Rasen, und ich wollte schon nachsehen, nur um mich zu beruhigen, Gott, natürlich nicht beruhigen , du weißt schon, was ich meine –, aber ich konnte nicht. Ich konnte mich nicht dazu durchringen aufzustehen. Ich war absolut sicher, wenn ich den Vorhang aufziehen würde, würde ich dein Licht auf dem Gras sehen. Und was dann? Was hätte ich dann tun können?« Er zitterte.
    »Justin«, sagte Abby sanft. »Ist ja gut.«
    Justin presste sich fest die Finger auf den Mund und holte tief Luft. »Na ja«, sagte er. »Jedenfalls, Daniel hätte die Treppe rauf- und runter donnern können, ich hätte nichts gehört.«
    »Ich hab ihn gehört«, sagte Rafe. »Ich glaube, ich hab in der Nacht alles im Umkreis von einer Meile gehört. Noch beim kleinsten Geräusch irgendwo ganz hinten im Garten bin ich vor Schreck zusammengefahren. Das Schöne an krimineller Aktivität ist, dass man dadurch ein Gehör kriegt wie eine Fledermaus.« Er schüttelte seine Zigarettenpackung, warf sie in den Kamin – Justin öffnete automatisch den Mund und schloss ihn dann wieder – und nahm sich die von Abby vom Tisch. »Manches davon war ein interessantes Hörerlebnis.«
    Abbys Augenbrauen gingen hoch. Sie steckte ihre Nadel behutsam in einen Saum, legte die Puppe hin und bedachte Rafe mit einem langen, kühlen Blick. »Willst du wirklich davon anfangen?«, fragte sie. »Weil, ich kann dich nicht dran hindern, aber an deiner Stelle würde ich mir sehr gründlich überlegen, ob ich diese besondere Büchse der Pandora öffne.«
    Ein langes, elektrisiertes Schweigen folgte. Abby faltete die Hände im Schoß und betrachtete Rafe ruhig.
    »Ich war betrunken«, sagte Rafe jäh und heftig in die Stille hinein. »Stinkbesoffen.«
    Nach einer Sekunde sagte Justin mit Blick auf den Couchtisch: »So betrunken warst du nun auch wieder nicht.«
    »Doch. Ich war hackevoll. Ich glaube, ich war im ganzen Leben noch nicht so betrunken.«
    »Nein, das stimmt nicht. Wenn du so betrunken gewesen wärst –«
    »Wir hatten alle fast die ganze Nacht ganz schön getrunken«, fiel Abby ihm mit ruhiger Stimme ins Wort. »Verständlicherweise. Es hat aber nichts geholfen. Ich glaub, keiner von uns hat viel geschlafen. Der nächste Morgen war der reinste Alptraum. Wir waren so durcheinander und

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