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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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die beiden Trottel aus Rathowen erwartet, und mir war sofort klar, dass diese Burschen ein ganz anderes Kaliber waren. Sie waren viel intelligenter und viel, viel gefährlicher. Ich hatte gedacht, das Schlimmste wäre vorbei, dass nichts je so schlimm sein könnte wie die vergangene Nacht. Aber als ich die zwei sah, da hab ich begriffen, dass das erst der Anfang war.«
    »Sie waren grausam«, sagte Justin plötzlich. »Unglaublich grausam. Sie haben uns ewig hingehalten, bis sie mit der Sprache rausrückten. Wir haben immer wieder gefragt, was denn passiert wäre, und sie haben uns bloß angeschaut mit diesen blasierten, ausdruckslosen Gesichtern und haben einfach keine klare Antwort gegeben.«
    »›Wie kommen Sie darauf, dass ihr was passiert sein könnte?‹«, warf Rafe ein und machte dabei Franks trägen Dubliner Tonfall bösartig gut nach. »›Hätte jemand Grund, ihr was anzutun? Hatte sie vor jemandem Angst?‹«
    »Und selbst als sie endlich mit der Sprache rausrückten, haben die Mistkerle nicht gesagt, dass du noch lebst . Mackey hat bloß so was gesagt wie: ›Sie wurde vor ein paar Stunden gefunden, nicht weit von hier. Irgendwann letzte Nacht wurde sie niedergestochen.‹ Er hat es absichtlich so klingen lassen, als wärst du tot.«
    »Daniel war der Einzige, der einen kühlen Kopf bewahrt hat«, sagte Abby. »Ich war drauf und dran, in Tränen auszubrechen. Ich hatte mich den ganzen Morgen am Riemen gerissen, um keine verweinten Augen zu haben, und es war eine unglaubliche Erleichterung, endlich wissen zu dürfen , was passiert war … Aber Daniel hat sofort gesagt, wie aus der Pistole geschossen: ›Ist sie am Leben?‹«
    »Und die haben gar nicht reagiert«, sagte Justin. »Einfach kein Wort gesagt, eine halbe Ewigkeit, bloß dagestanden und uns angesehen und gewartet. Ich hab ja gesagt, richtig grausam waren die.«
    »Und dann endlich«, sagte Rafe, »hat Mackey mit den Schultern gezuckt und gesagt: ›Ganz knapp.‹ Es war, als würde uns allen der Kopf platzen. Ich meine, wir hatten uns auf das … na ja, auf das Schlimmste eingestellt, wir wollten es nur endlich hinter uns bringen, um in Ruhe einen Nervenzusammenbruch kriegen zu können. Aber darauf waren wir nicht gefasst. Wir hätten vor Schreck Gott weiß was von uns geben können – die ganze Sache auf der Stelle auffliegen lassen –, wenn Abby nicht mit einem einwandfreien Timing einen Ohnmachtsanfall hingelegt hätte. Überhaupt, das wollte ich dich schon die ganze Zeit fragen, war der echt? Oder gehörte der zum Plan ?«
    »So gut wie nichts ist da nach irgendeinem Plan gelaufen«, sagte Abby schneidend, »und ich bin auch nicht in Ohnmacht gefallen. Mir wurde nur kurz schwindelig. Vielleicht erinnerst du dich, ich hatte nicht viel geschlafen.« Rafe lachte höhnisch.
    »Alle sind hingesprungen, um sie aufzufangen, und dann haben wir sie auf einen Stuhl gesetzt und ihr ein Glas Wasser geholt«, sagte Justin, »und als sie sich wieder besser fühlte, hatten wir uns auch wieder im Griff –
    »Ach nee, hatten wir das?«, fragte Rafe stirnrunzelnd. »Du hast immer noch dagestanden und den Mund auf- und zugeklappt wie ein Goldfisch. Ich hatte solche Angst, du würdest irgendwas Idiotisches sagen, dass ich einfach wild drauflosgequatscht hab, die Bullen müssen mich für einen totalen Schwachkopf gehalten haben: Wo haben Sie sie gefunden, wo ist sie, wann können wir sie sehen … Ich hab zwar keine Antwort gekriegt, aber ich hab’s wenigstens versucht.«
    »Ich hab mein Bestes getan«, sagte Justin. Seine Stimme wurde lauter, erregter. »Für dich war es leicht, dich wieder einzukriegen: Oh, sie lebt, wie schön. Du warst ja nicht dabei. Du musstest nicht dauernd an dieses furchtbare Cottage denken –«
    »Wo du, wenn ich das richtig sehe, nicht gerade eine große Hilfe warst. Wieder mal.«
    »Du bist betrunken«, sagte Abby kalt.
    »Weißt du was?«, sagte Rafe, wie ein Kind, dem es Spaß macht, Erwachsene zu schockieren. »Ich glaube, du hast recht. Und ich glaube, ich betrinke mich noch ein bisschen mehr. Oder hat jemand was dagegen?«
    Keiner antwortete. Er reckte sich nach der Flasche und schielte zu mir rüber. »In der Nacht hast du echt was verpasst, Lexie«, sagte er. »Falls du dich wunderst, warum Abby alles, was Daniel sagt, für göttliche Offenbarung hält –«
    Abby rührte sich nicht. »Ich hab dich einmal gewarnt, Rafe. Jetzt zum zweiten Mal. Eine dritte Chance kriegst du nicht.«
    Nach einem Augenblick zuckte Rafe die

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