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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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ausgehen würde«, sagte Abby scharf. »Was hätte er denn machen sollen? Er hat gedacht, Lexie wäre tot , Rafe.«
    Rafe zog eine Schulter hoch. »Behauptet er.«
    »Was soll denn das heißen?«
    »Ich mein ja nur. Wisst ihr noch, als der Wichser aufgetaucht ist und uns erzählt hat, dass sie aus dem Koma aufgewacht ist? Wir alle drei«, sagte er an mich gerichtet, »wir wären fast zusammengebrochen, so erleichtert waren wir. Ich dachte schon, Justin würde richtig in Ohnmacht fallen.«
    »Vielen Dank, Rafe«, sagte Justin und langte nach der Flasche.
    »Aber hat Daniel auch erleichtert gewirkt? Keinen Meter. Er hat dreingeschaut, als hätte ihm jemand einen Baseballschläger in den Bauch gerammt. Ist sogar dem Cop aufgefallen, Menschenskind. Erinnerst du dich?« Mit einem kühlen Achselzucken beugte Abby den Kopf über die Puppe und tastete nach ihrer Nadel.
    »He«, sagte ich und trat gegen das Sofa, um Rafes Aufmerksamkeit zu erregen. » Ich erinner mich nicht. Was ist passiert?«
    »Es war Mackey, dieser Arsch«, sagte Rafe. Er nahm Justin die Wodkaflasche aus der Hand und füllte sein Glas auf, ohne Tonic. »Früh am Montagmorgen steht er putzmunter bei uns vor der Tür und sagt, er hat Neuigkeiten für uns und ob er reinkommen kann. Ich persönlich hätte ihm gesagt, er soll sich verpissen, ich hatte an dem Wochenende so viel Bullen gesehen, mein Bedarf war für alle Zeit gedeckt, aber Daniel war an die Tür gegangen, und er hatte diese hirnrissige Theorie, wir sollten nichts tun, was die Bullen gegen uns einnehmen könnte – dabei war Mackey schon gegen uns, der konnte uns von Anfang nicht leiden, also was hatte das ganze Getue für einen Sinn? –, und deshalb hat er ihn reingelassen. Ich bin aus meinem Zimmer gekommen, um zu sehen, was Sache ist, und Justin und Abby sind aus der Küche gekommen, und Mackey stand da in der Diele und blickte uns nacheinander an und sagte: ›Ihre Freundin wird durchkommen. Sie ist aufgewacht und hat was zum Frühstück verlangt.‹«
    »Und wir waren alle völlig aus dem Häuschen«, sagte Abby. Sie hatte die Nadel gefunden und attackierte das Puppenkleid mit kurzen, wütenden Stichen.
    »Nun ja«, sagte Rafe, »jedenfalls ein paar von uns. Justin hat sich an der Türklinke festgehalten und gegrinst wie ein Honigkuchenpferd, und Abby hat losgelacht, ist auf ihn zugesprungen und hat ihn umarmt, und ich glaube, ich hab so einen verrückten Jauchzer ausgestoßen. Aber Daniel … der stand einfach da. Er sah aus –«
    »Er sah jung aus«, sagte Justin plötzlich. »Er sah richtig jung aus und total verstört.«
    »Du«, sagte Abby barsch zu ihm, »warst doch gar nicht in der Verfassung, irgendwas mitzukriegen.«
    »Doch. Ich hab ihn genau angesehen. Er war kalkweiß, er sah richtig krank aus.«
    »Dann hat er sich umgedreht und ist hier reingegangen«, sagte Rafe, »hat sich gegen den Fensterrahmen gelehnt und in den Garten geschaut. Ohne ein Wort. Mackey hat uns stirnrunzelnd angeschaut und gefragt, ›Was ist denn mit Ihrem Freund los? Freut er sich nicht?‹«
    Frank hatte das mit keinem Wort erwähnt. Ich hätte sauer sein sollen – er hatte es gerade nötig, mir vorzuwerfen, dass ich unfair spielte –, aber er kam mir vor wie ein halbvergessener Mensch aus einer anderen Welt, eine Million Meilen weit weg.
    »Abby hat sich von Justin gelöst und irgendwas in der Art gesagt, Daniel wäre völlig überwältigt –«
    »War er auch«, sagte Abby und biss hörbar einen Faden ab.
    »– aber Mackey hat bloß sein zynisches kleines Grinsen aufgesetzt und ist gegangen. Sobald ich sicher war, dass er auch wirklich weg war – der gehört zu der Sorte, die sich im Gebüsch versteckt und lauscht –, bin ich zu Daniel und hab ihn gefragt, was denn verdammt nochmal sein Problem wäre. Er stand noch immer am Fenster, er hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Er strich sich die Haare aus dem Gesicht – er schwitzte –, und er sagte: ›Es gibt kein Problem. Er lügt natürlich. Dass hätte ich mir gleich denken können, aber er hat mich überrumpelt.‹ Ich hab ihn bloß angestarrt. Ich hab gedacht, jetzt ist er komplett durchgeknallt.«
    »Oder du bist durchgeknallt«, sagte Abby schneidend. »Ich kann mich an nichts davon erinnern.«
    »Du und Justin, ihr seid ja auch die ganze Zeit rumgehüpft und habt euch umarmt und gequietscht wie zwei Teletubbies. Daniel hat mich entnervt angeguckt und gesagt: ›Sei nicht naiv, Rafe. Wenn Mackey die Wahrheit sagen würde, glaubst du im

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