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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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ich hab mir immer schon gedacht, dass das ein Grund war, warum du keinem was von uns erzählen wolltest. Damit du irgendwann zurück ins Morddezernat kommen könntest. Aber ich will nicht bloß eine Bettgeschichte oder eine Affäre oder eine halbherzige Teilzeitbeziehung, wo wir so tun müssen, als wären wir … « Er kramte in seinem Mantel herum. Er war dermaßen übermüdet, dass seine Bewegungen tapsig waren, als wäre er betrunken. »Das hier schlepp ich schon mit mir rum, seit wir zwei Wochen zusammen waren. Weißt du noch? Unser Spaziergang auf Howth Head? An einem Sonntag?«
    Ich erinnerte mich. Ein kühler grauer Tag, weicher Regen schwerelos in der Luft, der Geruch des Meeres weitete mir die Brust; Sams Mund schmeckte salzig und frisch. Wir gingen am Rand hoher Klippen entlang, den ganzen Nachmittag, aßen abends Fish and Chips auf einer Bank, mir taten die Beine weh, und es war das erste Mal seit dem Knocknaree-Fall, dass ich mich wieder wie ich selbst fühlte.
    »Am Tag danach«, sagte Sam, »hab ich das hier gekauft. In der Mittagspause.« Er fand, wonach er suchte, und ließ es auf den Couchtisch fallen. Es war eine Ringschatulle aus blauem Samt.
    »Ach Sam«, sagte ich. »Ach Sam.«
    »Es war mir ernst«, sagte Sam. »Das hier, mein ich. Du, wir. Ich hab mich nicht bloß amüsiert.«
    »Ich mich auch nicht«, sagte ich. Damals in dem Beobachtungsraum; der Ausdruck in seinen Augen. Es war mir ernst. »Niemals. Ich … Ich hab mich bloß zwischendurch verloren, eine Zeitlang. Es tut mir so leid, Sam. Ich hab alles falsch gemacht, was man nur falsch machen kann, und es tut mir so leid.«
    »Ich liebe dich, Herrgott nochmal. Als du undercover gegangen bist, einfach so, da bin ich fast durchgedreht – und ich konnte nicht mal mit jemandem drüber reden, weil keiner Bescheid wusste. Ich kann nicht … «
    Er verstummte, rieb sich die Augen mit den Handballen. Ich wusste, dass es eine feinfühlige Art geben musste, die Frage zu stellen, aber die Ränder meines Gesichtsfeldes verzogen sich ständig und flackerten, und ich konnte nicht klar denken. Ich fragte mich, ob es für dieses Gespräch einen schlechteren Zeitpunkt hätte geben können. »Sam«, sagte ich, »ich habe heute einen Menschen getötet. Gestern, egal. Ich habe keine Gehirnzellen mehr, die noch funktionieren. Du musst es mir jetzt klar und deutlich sagen: Machst du gerade mit mir Schluss, oder machst du mir einen Heiratsantrag?« Ich war mir ziemlich sicher, was von beidem der Fall war. Ich wollte es einfach nur hinter mich bringen, die üblichen Abschiedsfloskeln mit Anstand ertragen und mir dann den restlichen Brandy reinschütten, bis ich ohnmächtig ins Bett fiel.
    Sam starrte verblüfft auf die Ringschatulle, als wüsste er nicht, wie sie dahingekommen war. »Oh Gott«, sagte er. »Ich wollte nicht … ich hatte alles geplant: Dinner in einem schönen Restaurant, mit Ausblick und so. Und Champagner. Aber ich schätze – ich meine, jetzt, wo … «
    Er nahm die Schatulle, öffnete sie. Ich kam nicht mehr mit, das Einzige, was ich begriff, war, dass er mich anscheinend nicht abservierte und dass die Erleichterung reiner und schmerzvoller war, als ich es mir je hätte träumen lassen. Sam kämpfte sich vom Sofa hoch und kniete sich unbeholfen auf den Boden.
    »Also«, sagte er und hielt mir die Schatulle hin. Er war bleich, und seine Augen waren groß. Er wirkte genauso fassungslos wie ich. »Willst du mich heiraten?«
    Das Einzige, wonach mir der Sinn stand, war einfach loszulachen – nicht über ihn, bloß darüber, dass es dieser Tag geschafft hatte, auf der Skala des kreischenden Wahnsinns noch eine Stufe höher zu klettern. Ich hatte Angst, dass ich nicht wieder aufhören könnte, wenn ich einmal anfing. »Ich weiß«, sagte Sam und schluckte. »Ich weiß, das würde bedeuten, dass du nicht zurück ins Morddezernat kannst – nicht ohne Sondererlaubnis, und … «
    »Und keiner von uns kann in absehbarer Zeit mit irgendwelchen Vergünstigungen rechnen«, sagte ich. Daniels Stimme streifte meine Wange wie dunkle Federn, wie ein getragener Nachtwind, der von irgendeinem fernen Berg herunterweht. Nimm, was du willst, und bezahl dafür, sagt Gott.
    »Stimmt. Wenn du … Wenn du noch drüber nachdenken willst … « Wieder ein Schlucken. »Du musst dich nicht sofort entscheiden, klar. Ich weiß, heute Nacht ist nicht der beste Augenblick für … Aber vielleicht ging es nicht anders. Früher oder später muss ich es wissen.«
    Der Ring war

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