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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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–«
    »Das hier bin ich selbst, Sam. Sieh genau hin: Das hier bin ich selbst, verdammt nochmal. Ich war schon Jahre vor dem Knocknaree-Fall undercover. Also halt den da raus.«
    Wir starrten uns an. Nach einem Moment sagte Sam leise: »Ja. Ja, hast ja recht.«
    Er ließ sich aufs Sofa fallen und fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. Plötzlich sah er völlig geschafft aus, und bei dem Gedanken, wie sein Tag gewesen war, empfand ich einen schmerzlichen Stich. »Tut mir leid«, sagte er. »Dass ich davon angefangen habe.«
    »Ich will nicht mit dir streiten«, sagte ich. Mir zitterten die Knie, und ich hatte keine Ahnung, wie wir darüber hatten in Streit geraten können, wo wir doch eigentlich auf derselben Seite standen. »Lass es … einfach gut sein, okay? Bitte, Sam, tu mir den Gefallen.«
    »Cassie«, sagte Sam. Sein rundes, freundliches Gesicht hatte einen gequälten Ausdruck, der nicht dahingehörte. »Ich schaff das nicht. Was, wenn … Gott. Wenn dir was passiert? In einem Fall, für den ich zuständig bin, mit dem du nichts zu tun hattest? Weil ich den Täter nicht schnappen konnte. Damit kann ich nicht leben. Ich kann nicht.«
    Er klang atemlos, erschöpft. Ich wusste nicht, ob ich ihn in die Arme nehmen oder treten sollte. »Wie kommst du darauf, dass diese Sache nichts mit mir zu tun hat?«, fragte ich. »Die Frau ist meine Doppelgängerin, Sam. Die Frau ist mit meinem Gesicht herumspaziert, Menschenskind. Woher willst du wissen, dass der Täter die Richtige erwischt hat? Überleg doch mal. Eine Doktorandin, die sich alles von Charlotte Brontë reinzieht, oder eine Polizistin, die zig Leute in den Knast gebracht hat: Bei welcher von beiden ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass irgendwer sie umbringen will?«
    Schweigen entstand. Sam war auch in der SOKO Vestalin gewesen. Wir beide kannten wenigstens eine Person, die mich liebend gern und ohne mit der Wimper zu zucken hätte umbringen lassen und der durchaus zuzutrauen war, dass sie die Sache in die Wege leitete. Ich spürte mein Herz klopfen, hart und hoch unter den Rippen.
    Sam sagte: »Glaubst du etwa –«
    »Es geht hier nicht um einzelne Fälle«, sagte ich zu schroff. »Es geht darum, dass ich längst bis zum Hals in der Sache drinstecken könnte. Und ich will nicht für den Rest meines Lebens ständig hinter mich gucken. Damit kann ich nicht leben.«
    Er zuckte zusammen. »Es wäre nicht für den Rest deines Lebens«, sagte er. »Ich hoffe, wenigstens das kann ich dir versprechen. Ich habe nämlich vor, den Täter zu schnappen, weißt du.«
    Ich lehnte mich gegen die Arbeitsplatte und holte Luft. »Ich weiß, Sam«, sagte ich. »Tut mir leid. So hab ich das nicht gemeint.«
    »Falls er es, Gott bewahre, auf dich abgesehen hat, dann solltest du dich erst recht raushalten und mir die Sache überlassen.«
    Der freundliche Essensduft hatte eine beißende, gefährliche Note angenommen: Irgendetwas war angebrannt. Ich stellte den Herd aus, schob die Töpfe nach hinten – uns beiden war ohnehin erst mal der Appetit vergangen – und setzte mich im Schneidersitz aufs Sofa, Sam zugewandt.
    »Du behandelst mich wie deine Freundin, Sam«, sagte ich. »Ich bin nicht deine Freundin, nicht in so einer Situation. Da bin ich Detective wie alle anderen.«
    Er schenkte mir ein trauriges, schiefes kleines Lächeln. »Könntest du nicht beides sein?«
    »Ich hoffe es«, sagte ich. Ich wünschte, ich hätte den Wein nicht ausgetrunken. Dieser Mann brauchte etwas Alkoholisches. »Ich hoffe es wirklich. Aber nicht so.«
    Nach einer Weile atmete Sam lange aus, ließ den Kopf nach hinten gegen die Lehne sinken. »Du willst also mitmachen«, sagte er. »Bei Mackeys Plan.«
    »Nein«, sagte ich. »Ich will bloß mehr über diese Tote wissen. Deshalb hab ich gesagt, dass ich zu der Besprechung komme. Das hat nichts mit Frank und seiner spinnerten Idee zu tun. Ich will einfach mehr über sie erfahren.«
    »Wieso?«, fragte Sam. Er setzte sich auf und nahm meine beiden Hände, zwang mich, ihn anzusehen. Seine Stimme klang rau, irgendwie frustriert und fast flehend. »Was hat sie mit dir zu tun? Sie ist nicht mit dir verwandt, keine Freundin von dir, nichts. Sie ist purer Zufall, mehr nicht, Cassie. Irgendeine junge Frau, die auf der Suche nach einem neuen Leben war und der sich zufällig die perfekte Chance bot.«
    »Ich weiß«, sagte ich. »Ich weiß, Sam. Sie scheint nicht mal besonders sympathisch gewesen zu sein. Wenn wir uns kennengelernt hätten, hätte ich

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