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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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wegen des Angriffs auf sie angeklagt. Wir haben ihn einkassiert, er hat uns irgendeinen Schwachsinn von wegen Notwehr erzählt, wir haben so getan, als würden wir ihm glauben, und ihn laufenlassen. Er war draußen für uns wesentlich nützlicher als drinnen.«
    Sams Kopf schnellte hoch, und er setzte an, etwas zu sagen, doch dann biss er sich auf die Lippe und konzentrierte sich darauf, einen Fleck von der Tafel zu wischen. Egal, was er von einem Kollegen hielt, der einen potentiellen Polizistenkiller wieder auf freien Fuß setzen ließ, er und Frank hatten sich gegenseitig am Hals. Das würde eine lange Ermittlung werden.
    »Und aus deiner Zeit im Morddezernat?«, fragte Sam mich. »Hast du dir da irgendwelche Feinde gemacht?« O'Kelly stieß ein bitteres leises Lachen aus.
    »Alle, die ich überführt habe, sitzen noch«, sagte ich, »aber sie könnten natürlich Freunde haben, Angehörige, Komplizen. Und dann sind da noch Verdächtige, die wir nicht überführen konnten.« Das Sonnenlicht war von meinem alten Schreibtisch geglitten, und unsere Ecke lag jetzt im Dunkeln. Der Raum kam mir plötzlich kälter und leerer vor, durchweht von einem beharrlichen, traurigen Wind.
    »Das erledige ich«, sagte Sam. »Ich überprüf sie.«
    »Falls jemand es auf Cassie abgesehen hat«, sagte Frank hilfreicherweise, »ist sie in Whitethorn House erheblich sicherer, als sie es ganz allein in ihrer Wohnung wäre.«
    »Ich kann bei ihr bleiben«, sagte Sam, ohne ihn anzusehen. Wir würden nicht darauf hinweisen, dass er sowieso die Hälfte der Zeit bei mir wohnte, und das wusste Frank.
    Frank hob eine amüsierte Augenbraue. »Die ganze Woche rund um die Uhr? Wenn sie undercover geht, trägt sie ein Mikro, und jemand hört Tag und Nacht mit –«
    »Aber nicht von meinem Budget«, sagte O'Kelly zu ihm.
    »Kein Problem, das läuft über unseres. Wir schlagen unser Hauptquartier im Polizeirevier von Rathowen auf. Sobald ihr jemand gefährlich wird, sind wir Minuten später bei ihr. Hätte sie diese Sicherheit auch zu Hause?«
    »Wenn wir davon ausgehen, dass jemand eine Kollegin umbringen will«, sagte Sam, »dann sollten wir ihr diese Sicherheit verdammt nochmal auch zu Hause bieten.« Seine Stimme klang gepresst.
    »In Ordnung. Ist in Ihrem Budget was für Personenschutz rund um die Uhr vorgesehen?«, wollte Frank von O'Kelly wissen.
    »Kommt nicht in Frage«, sagte O'Kelly. »Sie ist Detective im DHG, sie ist das Problem vom DHG.« Frank breitete die Hände aus und grinste Sam an. Cooper amüsierte sich köstlich.
    »Ich brauche keinen Personenschutz rund um die Uhr«, sagte ich. »Wenn der Täter von mir besessen wäre, hätte er nicht nach einem Messerstich aufgehört, und auch nicht, wenn er von Lexie besessen wäre. Also bitte, beruhigen wir uns.«
    »Na gut«, sagte Sam nach einem Moment. Er klang nicht gerade glücklich. »Ich glaube, das wäre alles von meiner Seite.« Er setzte sich abrupt, und rückte mit seinem Stuhl an seinen Schreibtisch.
    »Jedenfalls ging es bei der Tat nicht um Geld«, sagte Frank. »Die fünf schmeißen das meiste von ihren Finanzen zusammen – von jedem hundert Euro die Woche in eine gemeinsame Kasse für Lebensmittel, Sprit, Rechnungen, Reparaturen am Haus, was alles so anfällt. Bei ihrem monatlichen Einkommen blieb da nicht viel übrig. Sie hatte achtundachtzig Euro auf ihrem Konto.«
    »Was denkst du?«, fragte Sam mich.
    Er meinte, aus Profiler-Sicht. Profiling ist alles andere als narrensicher, und im Grunde verstehe ich auch gar nicht so viel davon, aber soweit ich das sagen konnte, deutete alles darauf hin, dass sie von jemandem getötet worden war, den sie gekannt hatte, von jemandem mit einem auf brausenden Temperament, nicht mit langgehegten Rachegelüsten. Die Person, die am ehesten in Frage kam, war entweder der Kindsvater oder irgendeiner von den Mitbewohnern oder sowohl als auch.
    Aber wenn ich das sagte, war die Besprechung vorbei, zumindest was mich betraf. Sam würde an die Decke gehen bei dem Gedanken, dass ich mit den nächstliegenden Verdächtigen zusammen unter einem Dach wohnen würde. Und das wollte ich nicht. Weil, wie ich mir einzureden versuchte, ich die Entscheidung selbst treffen und sie mir nicht von Sam aus der Hand nehmen lassen wollte, aber ich wusste: Die Situation hatte ihre Wirkung auf mich, dieser Raum und diese Leute und dieses Gespräch, ich wurde fast unmerklich in eine Richtung gedrängt, und genau das hatte Frank gewusst. Nichts auf der Welt geht dir

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