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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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mehr ins Blut als ein Mordfall, nichts fordert dich, Körper und Verstand, mit einer so gewaltigen und schreienden und unwiderstehlichen Stimme. Es war Monate her, seit ich zuletzt so gearbeitet hatte, so konzentriert auf das Zusammenfügen von Indizien und Mustern und Theorien, und auf einmal kam es mir vor, als wären Jahre vergangen.
    »Ich tippe auf Möglichkeit zwei«, sagte ich schließlich. »Jemand, der sie als Lexie Madison kannte.«
    »Wenn wir uns darauf konzentrieren«, sagte Sam, »dann standen ihre Mitbewohner ihr am nächsten, und sie haben sie zuletzt lebend gesehen. Damit rücken sie an vorderste Front.«
    Frank schüttelte den Kopf. »Da bin ich mir nicht so sicher. Sie hatte ihre Jacke an, und die wurde ihr nicht angezogen, als sie schon tot war – vorne rechts ist ein Schlitz, der haargenau zu der Wunde passt. Für mich heißt das, sie war außerhalb des Hauses, weg von den Wohngenossen, als sie angegriffen wurde.«
    »Ich schließe die Mitbewohner trotzdem noch nicht aus«, sagte Sam. »Ich weiß nicht, wieso einer von ihnen sie erstochen haben sollte, ich weiß nicht, warum außerhalb des Hauses, ich weiß nur, in unserem Job ist die nächstliegende Antwort auch meist die, nach der wir suchen – und die Mitbewohner sind und bleiben nun mal die nächstliegende Antwort. Und solange wir keinen Zeugen finden, der die Frau nach Verlassen des Hauses lebend gesehen hat, bleiben sie für mich verdächtig.«
    Frank zuckte die Achseln. »In Ordnung. Angenommen, einer von denen war’s: Die halten zusammen wie Pech und Schwefel, sie sind stundenlang vernommen worden, ohne mit der Wimper zu zucken, die Chance, dass wir sie knacken, ist praktisch gleich null. Oder angenommen, es ist ein Außenstehender. Wir haben nicht den leisesten Schimmer, wer er ist, woher er Lexie kannte oder wo wir anfangen sollen, nach ihm zu suchen. Manche Fälle lassen sich von außen einfach nicht lösen. Deshalb gibt es ja die Undercoverabteilung. Womit ich auch schon wieder bei meinem Alternativkurs wäre.«
    »Eine Kollegin mitten unter einen Haufen Mordverdächtige zu schicken«, sagte Sam.
    »Nur mal ganz grundsätzlich«, sagte Frank zu ihm und zog dabei amüsiert eine Augenbraue leicht hoch, »wir schicken Undercoverleute nicht los, um tugendhafte Unschuldige auszukundschaften. In der Regel haben wir es bei unserer Arbeit mit Kriminellen zu tun.«
    »Und zwar Kriminelle à la IRA, Gangster, Dealer«, sagte O'Kelly. »Hier geht es um eine Handvoll Studenten , Mensch. Mit denen würde wahrscheinlich sogar Maddox fertig.«
    »Genau«, sagte Sam. »Genau. Die Undercoverabteilung ermittelt im Milieu organisierter Kriminalität: Drogen, Banden. Sie wird nicht in einem Nullachtfünfzehn-Mord aktiv. Wieso brauchen wir sie bei diesem Fall?«
    »Aus dem Mund eines Detectives vom Morddezernat«, sagte Frank besorgt, »erstaunt mich das. Wollen Sie damit sagen, das Leben unserer Unbekannten ist weniger wert als ein Kilo Heroin?«
    »Nein«, sagte Sam unbeirrt. »Ich will damit sagen, es gibt andere Möglichkeiten, in einem Mordfall zu ermitteln.«
    »Zum Beispiel?«, fragte Frank und holte zum Vernichtungsschlag aus. »Was für andere Möglichkeiten haben Sie in diesem speziellen Mordfall? Sie haben keine Identifizierung des Opfers« – er beugte sich in Richtung Sam, zählte schnell an den Fingern ab –, »keinen Verdächtigen, kein Motiv, keine Tatwaffe, keinen Tatort, keinen Fingerabdruck, keinen Zeugen, keine Faserspur oder auch nur einen einzigen guten Hinweis. Hab ich recht?«
    »Wir ermitteln erst seit drei Tagen«, sagte Sam. »Wer weiß, was wir –«
    »Und jetzt schauen wir uns mal an, was Sie haben .« Frank hielt einen Finger hoch. »Eine erstklassige, ausgebildete, erfahrene Undercover-Ermittlerin, die dem Opfer wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Also. Irgendeinen Grund, warum Sie das nicht nutzen wollen?«
    Sam lachte, ein zorniger kleiner Laut, und kippelte seinen Stuhl auf die Hinterbeine. »Warum ich sie nicht ins Haifischbecken werfen will?«
    »Sie ist Detective«, sagte Frank, sehr sanft.
    »Ja«, sagte Sam nach einem langen Moment. Er ließ die Vorderbeine seines Stuhls wieder nach unten, ganz behutsam. »Das ist sie.« Sein Blick glitt weg von Frank, durch den Raum: leere Schreibtische in halbdunklen Ecken, die Explosion von Gekritzel und Karten und Lexie auf der Tafel, ich.
    »Schauen Sie nicht mich an«, sagte O'Kelly. »Ihr Fall, Ihre Entscheidung.« Wenn diese Sache in die Hose ging, und damit rechnete

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