Totengleich
Opfers keine Informationen, keine Beweismittel und kein Motiv zu finden gab, dass kein Anlass bestand, mich verdeckt ermitteln zu lassen.
»Von mir aus«, sagte O'Kelly. »Wenn es eine Zufallstat war, sind wir ohnehin im Eimer: Entweder wir haben Glück oder keins.«
»Okay, also. Zweitens« – Sam hielt Daumen und Zeigefinger hoch –, »ein aktueller Feind. Ich meine, jemand, der sie als Lexie Madison kannte. Sie hat sich in einem ziemlich engen Kreis bewegt, es dürfte also nicht allzu schwierig sein herauszufinden, ob jemand irgendwelche Probleme mit ihr hatte. Wir fangen mit ihren Mitbewohnern an und arbeiten uns nach außen vor – das Personal am Trinity, Studenten –«
»Bisher ergebnislos«, sagte Frank zu niemand Bestimmtem.
»Wir sind noch ganz am Anfang«, sagte Sam mit fester Stimme. »Wir sind erst bei den Vorbefragungen. Und jetzt, wo wir wissen, dass sie schwanger war, haben wir einen ganz neuen Ermittlungsansatz. Wir müssen den Vater finden.«
O'Kelly schnaubte. »Na dann, viel Glück. Bei den jungen Frauen heutzutage, wahrscheinlich hat sie irgendeinen Typen in einer Disco kennengelernt und es mit ihm im Hinterhof getrieben.«
Ich spürte eine jähe verwirrte Empörung in mir aufsteigen. So eine war Lexie nicht . Ich rief mir in Erinnerung, dass meine Informationen veraltet waren, nicht auszuschließen, dass die neue Version eine Edelschlampe gewesen war. »Discos sind zusammen mit dem Rechenschieber ausgestorben, Sir«, sagte ich zuckersüß.
»Selbst wenn er eine Club-Bekanntschaft ist«, sagte Sam, »müssen wir ihn trotzdem finden, um ihn als Verdächtigen ausschließen zu können. Es könnte eine ganze Weile dauern, aber wir finden ihn.« Er blickte Frank an, der ernst nickte. »Ich werde die Männer im Haus um eine DNA-Probe bitten, für den Anfang.«
»Vielleicht sollten wir damit lieber noch ein Weilchen warten«, sagte Frank aalglatt, »je nachdem, natürlich. Falls ihre Bekannten eventuell den Eindruck gewinnen sollen, dass sie gesund und munter ist, wollen wir sie doch nicht nervös machen. Sie sollen entspannt sein, unachtsam, sollen meinen, die Ermittlungen wurden runtergefahren. Die DNA ist in ein paar Wochen auch noch da.«
Sam zuckte die Achseln. Er wurde schon wieder angespannt. »Das klären wir noch. Drittens: ein Feind aus ihrem früheren Leben, jemand, der noch eine Rechnung mit ihr offen hatte und sie ausfindig gemacht hat.«
»Also, das ist die Variante, die für mich am plausibelsten klingt«, sagte Frank und richtete sich auf. »Wir haben keinen Anhaltspunkt für irgendwelche Probleme in ihrem Leben als Lexie Madison, stimmt’s? Aber wo immer sie vorher war, irgendwas ist offenbar schiefgelaufen. Sie hat sich ja wohl kaum nur zum Spaß einen falschen Namen zugelegt. Entweder sie war auf der Flucht vor der Polizei, oder sie war auf der Flucht vor jemand anderem. Ich tippe auf jemand anderen.«
»Da bin ich mir nicht so sicher«, sagte ich. Zum Teufel mit O'Kelly. Ich konnte genau sehen, worauf Frank hinauswollte, und ich lasse mich nicht gern überrollen. »Die Tat ist völlig ungeplant: eine Stichwunde, die nicht einmal hätte tödlich sein müssen, und dann – statt ihr den Rest zu geben oder sie wenigstens festzuhalten, damit sie keine Hilfe suchen und ihn verraten kann – lässt er sie entwischen, so dass er eine halbe Stunde braucht, um sie wiederzufinden. Für mich heißt das, kein Vorsatz, vielleicht nicht mal eine Tötungsabsicht.«
O'Kelly verzog angewidert das Gesicht. »Jemand hat der Frau ein Messer in die Brust gerammt, Maddox. Ich würde sagen, er hat es durchaus für möglich gehalten, dass sie daran sterben könnte.«
Ich habe Jahre Übung darin, O'Kelly an mir abprallen zu lassen. »Für möglich gehalten, ja. Aber wenn jemand jahrelang daran gedacht hat, sie umzubringen, hätte er das bis ins Kleinste geplant. Er hätte alles bedacht, er hätte ein Drehbuch gehabt, und er hätte sich daran gehalten.«
»Ja, vielleicht hatte er tatsächlich ein Drehbuch«, sagte Frank, »aber darin kam nichts Gewalttätiges vor. Mal angenommen, er verfolgt sie nicht, weil er noch eine Rechnung mit ihr offen hat, sondern weil er in sie verliebt ist. Er hat sich in den Kopf gesetzt, sie wären Seelenverwandte, er plant ein romantisches Wiedersehen mit anschließendem Glück zu zweit bis an ihr seliges Ende, und stattdessen lässt sie ihn abblitzen. Sie ist es, die vom Drehbuch abweicht, und damit wird er nicht fertig.«
»Stalker rasten schon mal aus«,
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