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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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was passieren würde? Hat er ernsthaft erwartet, ungeschoren davonzukommen? Sie gehören demselben Freundeskreis an. Einem kleinen, intimen Kreis. Sie hätte doch nur zu allem, was er von ihr wollte, ja und amen sagen müssen, und wäre dann schnurstracks nach Hause, um den anderen drei brühwarm zu erzählen, was passiert ist. Prompt gibt es große Bestürzung und Entsetzen, und sehr wahrscheinlich wäre unser Messerheld – es sei denn, es ist Daniel – aus Whitethorn House rausgeschmissen worden. Das sind clevere Leute, Sam. So etwas Krasses hätten sie nicht übergehen können.«
    »Fairerweise muss man zugeben«, sagte Frank hilfsbereit und wechselte die Seiten, »dass clevere Leute andauernd blöde Sachen machen.«
    »Aber nicht so was«, sagte Sam. Er legte seinen Stift quer über das Notizbuch und drückte zwei Finger in die Augenwinkel. »Blöde Sachen, ja, klar. Aber nichts, was überhaupt keinen Sinn ergibt.«
    Für den Ausdruck in seinem Gesicht war ich verantwortlich, und ich fühlte mich beschissen. »Nehmen sie Drogen?«, fragte ich. »Auf Koks zum Beispiel können die wenigsten klar denken.«
    Frank schnaubte Rauch aus. »Kann ich mir nicht vorstellen«, sagte Sam, ohne aufzublicken. »Die sind brav und anständig. Sie trinken schon mal was, das ja, aber so wie sie aussehen, würde ich sagen, die rauchen nicht mal Joints und nehmen erst recht keine harten Drogen. Und das toxikologische Screening der Toten war ja auch blitzsauber.«
    Der Wind warf sich wummernd und klappernd gegen das Fenster, wich wieder zurück. »Dann kommen sie nicht in Frage«, sagte ich, »es sei denn, wir haben irgendwas Großes übersehen.«
    Nach einem Augenblick sagte Sam: »Ja.« Er schloss bedächtig sein Notizbuch, hakte den Stift daran fest. »Also muss ich wohl anfangen, nach was Großem zu suchen.«
    »Kann ich Sie was fragen?«, sagte Frank. »Wieso sind Sie dermaßen scharf auf die vier?«
    Sam rieb sich mit den Händen übers Gesicht und blinzelte schnell, als versuchte er, wieder klarer zu sehen. »Weil sie da sind«, sagte er nach einem Moment. »Und sonst niemand, zumindest soweit wir wissen. Und wenn es keiner von ihnen war, was haben wir dann?«
    »Sie haben jetzt das schöne Täterprofil«, rief Frank ihm in Erinnerung.
    »Ich weiß«, sagte Sam dunkel. »Und dafür danke ich dir, Cassie, ehrlich. Aber im Augenblick hab ich niemanden, auf den es passt. Ich hab jede Menge Männer und auch Frauen aus der Gegend in der richtigen Altersgruppe, ein paar von denen sind vorbestraft, und ich würde sagen, eine ganze Reihe ist clever und fähig, aber es deutet nichts darauf hin, dass einer von ihnen das Opfer kannte. Ich hab eine Menge Uni-Kontakte der Toten, und ein paar von denen erfüllen so gut wie alle Kriterien des Profils, leider ist offenbar keiner dabei, der je auch nur in der Nähe von Glenskehy war, geschweige denn, sich in der Gegend auskennt. Es gibt also keinen, der hundertprozentig passt.«
    Frank zog eine Augenbraue hoch. »Ich will ja nicht drauf rumreiten«, sagte er, »aber genau den werden Detective Maddox und ich suchen.«
    »Ja«, sagte Sam, ohne ihn anzusehen. »Und wenn ich ihn schnell genug finde, könnt ihr die Sache abblasen.«
    »Dann sollten Sie sich sputen«, sagte Frank. Er lag noch immer auf dem Sofa, beobachtete Sam mit halb zusammengekniffenen Augen durch die Rauchkringel hindurch. »Sonntag soll’s nämlich losgehen.«
    Eine Sekunde lang trat absolute Stille ein. Sogar der Wind draußen schien jäh verstummt zu sein. Frank hatte bisher keinen genauen Termin genannt. Am äußeren Rand meines Gesichtsfeldes zuckten und kristallisierten sich die Karten und Fotos, entfalteten sich zu sonnenglänzenden Blättern, geriffeltem Glas, glattgewetztem Stein, wurden real.
    »Diesen Sonntag?«, sagte ich.
    »Guck mich nicht so fassungslos an«, sagte Frank zu mir. »Du machst das schon, Kleines. Und sieh es mal so: Du musst meine hässliche Visage nicht mehr sehen.« In diesem Moment kam mir das wirklich wie ein ziemlich großes Plus vor.
    »Klar«, sagte Sam. Er trank seinen Kaffee in langen Schlucken und verzog das Gesicht. »Dann mach ich mich mal auf den Weg.« Er stand auf und klopfte geistesabwesend seine Taschen ab.
    Sam wohnt in einer von diesen schaurigen Siedlungen am Arsch der Welt, er war zum Umfallen müde, und der Wind nahm wieder zu, riss an den Dachpfannen. »Sam, fahr jetzt nicht die weite Strecke«, sagte ich. »Nicht bei dem Wetter. Bleib hier. Wir arbeiten bestimmt bis spät

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