Totengleich
in die Nacht, aber –«
»Ja, bleiben Sie bei uns«, sagte Frank, breitete die Arme aus und grinste zu ihm hoch. »Wir machen eine Pyjamaparty. Rösten Marshmallows. Spielen ›Ich sehe was, was du nicht siehst‹.«
Sam nahm seinen Mantel von der Futonlehne und starrte darauf, als wüsste er nicht genau, was er damit machen sollte. »Äh, nein; ich fahr nicht nach Hause, bestimmt nicht. Ich will noch mal ins Büro, ein paar Akten durchgehen. Ich komm schon klar.«
»Na gut«, sagte Frank munter und winkte zum Abschied. »Viel Spaß. Aber rufen Sie uns gleich an, wenn Sie einen Hauptverdächtigen gefunden haben.«
Ich brachte Sam nach unten und gab ihm an der Haustür einen Abschiedskuss, und er stapfte verbissen zu seinem Wagen, die Hände in den Taschen und den Kopf tief gegen den Wind gebeugt. Vielleicht lag es bloß an der Böe, die mich die Treppe hoch verfolgte, aber ohne ihn kam mir meine Wohnung irgendwie kälter vor, trostloser, die Luft schneidend. »Er wäre sowieso gegangen, Frank«, sagte ich. »Auch wenn du dich nicht wie der letzte Wichser aufgeführt hättest.«
»Vielleicht«, sagte Frank, schwang sich in die Vertikale und fing an, die Imbisspackungen zu stapeln. »Aber soweit ich das von den Handyfilmen her sagen kann, hat Lexie das Wort ›Wichser‹ nicht benutzt. In den entsprechenden Situationen hat sie ›Blödmann‹ gesagt – gelegentlich auch ›Trottel‹ oder ›Arschloch‹. Solltest du dir vielleicht merken. Ich mach den Abwasch, wenn du mir ohne nachzusehen sagen kannst, wie du vom Haus zum Cottage kommst.«
Sam machte danach keinen Versuch mehr, abends für mich zu kochen. Er kam zu unregelmäßigen Zeiten, schlief bei sich zu Hause und sagte nichts, wenn er Frank auf meinem Sofa liegen sah. Meistens blieb er nur gerade lang genug, um mir einen Kuss und eine Tüte mit Einkäufen zu geben und mich rasch auf den neuesten Stand zu bringen. Viel hatte er nicht zu berichten. Die Spurensicherung und die Sonderfahnder hatten jeden Quadratzentimeter auf den Wegen abgesucht, wo Lexie spätabends immer spazieren gegangen war: keine Blutspur, keine identifizierbaren Fußabdrücke, keine Anzeichen für einen Kampf oder ein Versteck – sie machten den Regen dafür verantwortlich – und keine Waffe. Sam und Frank hatten ein paar Beziehungen spielen lassen, damit die Medien sich nicht auf die Sache stürzten. Sie gaben der Presse einen sorgsam allgemeingehaltenen Bericht über einen tätlichen Angriff in Glenskehy, machten vage Andeutungen, dass das Opfer ins Wicklow Hospital gebracht worden war, und ließen das Krankenhaus diskret überwachen, aber niemand kam, um Lexie zu besuchen, nicht mal ihre Mitbewohner. Die Informationen der Telefongesellschaft zu Lexies Handy waren unergiebig. Die Zeugenbefragungen im Dorf erbrachten unverbindliches Schulterzucken, nicht überprüfbare Alibis (»und nach CSI sind meine Frau und ich gleich ins Bett«), ein paar abfällige Bemerkungen über die reichen Snobs in Whitethorn House, extrem viele abfällige Bemerkungen über Byrne und Doherty und ihr plötzliches Interesse an Glenskehy und nicht einen einzigen nützlichen Hinweis.
Angesichts ihrer Beziehung zu den Einheimischen und der allgemeinen Begeisterung, die sie an den Tag legten, waren Doherty und Byrne dazu verdonnert worden, sich zig Bänder mit Aufnahmen von Überwachungskameras daraufhin anzusehen, ob irgendwelche Unbekannten wiederholt in Glenskehy aufgetaucht waren, aber die Standorte der Kameras waren für diesen Zweck wenig geeignet, daher fanden sie bloß heraus, dass in der Mordnacht zwischen zehn und zwei Uhr höchstwahrscheinlich niemand auf direktem Weg in das Dorf hinein- oder hinausgefahren war. Prompt fing Sam wieder von den Mitbewohnern an, woraufhin Frank die mannigfachen Möglichkeiten aufzählte, wie jemand nach Glenskehy gelangt sein konnte, ohne von einer Überwachungskamera erfasst zu werden, woraufhin Byrne schnippische Bemerkungen über Schlipsträger fallen ließ, die aus Dublin angegondelt kämen und anderer Leute Zeit mit sinnloser Fleißarbeit vergeudeten. Ich hatte den Eindruck, dass eine dichte, elektrisch geladene Wolke aus Sackgassen und Revierkämpfen und einem scheußlichen unguten Gefühl den SOKO-Raum verhüllte.
Frank hatte den Mitbewohnern gesagt, dass Lexie nach Hause käme. Sie hatten ihr Sachen geschickt: eine Karte mit Genesungswünschen und ein halbes Dutzend Schokoriegel, einen hellblauen Pyjama, Kleidung für die Fahrt nach Hause, Feuchtigkeitscreme
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