Totengrund
iPod-Stöpsel in den Ohren hatte, starrte aus dem Fenster und ignorierte ihn.
Tatsächlich hatte Maura absolut nichts dagegen, in der dritten Reihe zu sitzen, direkt hinter Arlo und Elaine, wo sie Arlos kahle Stelle und Elaines modische Kurzhaarfrisur bewundern konnte. Sie war in letzter Minute zu dem Quartett gestoßen, sie konnte mit ihren Geschichten und Insider-Witzen nichts anfangen, und so begnügte sie sich mit der Rolle der Beobachterin, als sie Teton Village hinter sich ließen und nach Süden fuhren, in das immer dichter werdende Schneegestöber hinein. Die Wischerblätter schwangen hin und her wie ein Metronom und schoben die herabwirbelnden Flocken zur Seite. Maura lehnte sich zurück und sah zu, wie die Landschaft draußen vorüberzog. Sie freute sich auf das Mittagessen am Kaminfeuer und auf die Skitour am Nachmittag. Langlauf, nicht Abfahrt, also gar kein Grund zur Nervosität, kein Grund, sich vor Bein- oder Schädelbrüchen zu fürchten, vor ebenso spektakulären wie peinlichen Stürzen. Nein, sie würden einfach nur ruhig durch die Wälder gleiten, die Stille lediglich durchbrochen vom Geräusch der Skier auf Pulverschnee, und das angenehme Brennen der kalten Luft in ihren Lungen spüren. Während der Tagung der Rechtsmediziner hatte sie zu viele Bilder von lädierten Körpern gesehen. Sie war froh, auf einer Reise zu sein, die nichts mit Gefahr und Tod zu tun hatte.
»Das schneit ja ganz schön heftig«, meinte Arlo.
»Wir haben gute Reifen drauf«, sagte Doug. »Der Typ von Hertz meinte, denen kann das Wetter nichts anhaben.«
»Apropos Wetter, hast du dir noch mal die Vorhersage angehört?«
»Ja – Schnee. Welche Überraschung.«
»Sag mir nur, dass wir rechtzeitig zum Mittagessen in der Hütte sein werden.«
»Lola sagt, wir kommen um elf Uhr zweiunddreißig an. Und Lola irrt sich nie.«
»Wer ist Lola?«, rief Maura nach vorn.
Doug deutete auf das tragbare Navigationsgerät, das er am Armaturenbrett befestigt hatte. »Das ist Lola.«
»Wieso spricht man von diesen Navis eigentlich immer in der weiblichen Form?«, fragte Elaine.
Arlo lachte. »Weil ihr Frauen uns Männern immer sagt, wo ’ s langgeht. Wenn Lola sagt, dass wir vor zwölf da sind, können wir zeitig zu Mittag essen.«
Elaine seufzte. »Denkst du je an etwas anderes als ans Essen?«
»Ich bevorzuge den Ausdruck dinieren . Die Anzahl der Mahlzeiten in einem Menschenleben ist begrenzt, also sollten wir besser …«
»… jede einzelne genießen, so gut wir können«, beendete Elaine den Satz für ihn. »Ja, Arlo, wir kennen deine Lebensphilosophie.«
Arlo drehte sich um und sah Maura an. »Meine Mutter war eine fantastische Köchin. Sie hat mich gelehrt, meinen Appetit nie an mittelmäßiges Essen zu vergeuden.«
»Deswegen bist du wahrscheinlich so schlank«, meinte Elaine.
»Autsch«, entgegnete Arlo. »Du bist ja ätzend drauf heute. Ich dachte, du freust dich auf den Ausflug.«
»Ich bin einfach nur müde. Du hast die halbe Nacht geschnarcht. Ich muss vielleicht auf einem eigenen Zimmer bestehen.«
»Ach, nun übertreib mal nicht. Ich kauf dir Ohropax.« Arlo schlang den Arm um Elaine und zog sie fest an sich. »Schnuckiputzi. Schatzi, lass mich nicht allein schlafen.«
Elaine wand sich los. »Du verrenkst mir den Hals.«
»He, Leute, schaut euch nur diesen prächtigen Schnee an!«, rief Doug. »Das ist eine richtige Winter-Traumlandschaft!«
Eine Stunde hinter Jackson sahen sie ein Schild: Letzte Tankgelegenheit . Doug bog in Grubb ’ s Gas Station and General Store ein, und alle stiegen aus, um die Toiletten zu benutzen und sich durch die engen Gänge zwischen den Regalen zu schieben, wo Snacks, verstaubte Zeitschriften und Eiskratzer feilgeboten wurden.
Arlo blieb vor einer Auslage mit in Plastik eingeschweißten Rindfleisch-Sticks stehen und lachte. »Wer isst denn dieses Zeug überhaupt? Die Dinger bestehen doch zu neunzig Prozent aus Nitritpökelsalz, und der Rest ist roter Farbstoff.«
»Es gibt sogar Cadbury-Schokolade«, stellte Elaine fest. »Wollen wir welche kaufen?«
»Ist wahrscheinlich zehn Jahre alt. Oh, pfui Teufel, die haben hier tatsächlich Lakritzschnecken. Von denen ist mir als Kind immer schlecht geworden. Das ist, als wäre man in die Fünfzigerjahre zurückversetzt worden.«
Während Arlo und Elaine kichernd das Süßwarenangebot inspizierten, nahm sich Maura eine Zeitung und ging damit zur Kasse.
»Sie wissen schon, dass die eine Woche alt ist, oder?«, fragte Grace.
Maura
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