Totengrund
gemurmelter Gruß, und dann war das Gespräch beendet. Die einzigen Intimitäten, die sie austauschten, fanden hinter verschlossenen Türen statt. Jedes Treffen war im Voraus geplant und wurde hinterher mehrfach analysiert. Du denkst zu viel , hätte Doug gesagt. All das Denken hatte ihr kein Glück gebracht.
Sie griff nach dem Hoteltelefon und rief die Rezeption an. »Können Sie mich bitte mit dem Zimmer von Douglas Comley verbinden?«, sagte sie.
Es klingelte viermal, ehe er abhob. »Hallo?«
»Ich bin ’ s«, sagte sie. »Gilt die Einladung noch?«
4
Das Abenteuer fing gar nicht so schlecht an.
Am Freitagabend traf sich die Reisegesellschaft auf einen Drink. Als Maura die Cocktaillounge des Hotels betrat, saßen Doug und seine Leute bereits an einem Tisch und warteten auf sie. Arlo Zielinski sah aus wie jemand, der sich durch den kompletten Guide Michelin gegessen hatte – rundlich und mit schütterem Haar, ein Mann mit einem herzhaften Appetit und einem ebenso herzhaften Lachen.
»Je mehr, desto lustiger, sag ich immer! Und jetzt haben wir einen triftigen Grund, zum Abendessen zwei Flaschen Wein zu bestellen«, sagte er. »Halte dich an uns, Maura, und ich garantiere dir, dass du deinen Spaß haben wirst, zumal, wenn Doug das Kommando hat.« Er beugte sich vor und flüsterte: »Für seine moralische Integrität kann ich mich verbürgen. Ich mache seit Jahren seine Steuererklärung, und wenn irgendjemand deine intimsten Geheimnisse kennt, dann ist es dein Steuerberater.«
»Was tuschelt ihr denn da?«, fragte Doug.
Arlo blickte mit Unschuldsmiene auf. »Ich habe ihr nur erklärt, dass die Geschworenen total gegen dich voreingenommen waren. Du hättest niemals verurteilt werden dürfen.«
Maura brach in Gelächter aus. Doch, dieser Freund von Doug gefiel ihr.
Aber bei Elaine Salinger war sie sich nicht so sicher. Die Frau hatte zwar während ihres Gesprächs unentwegt dabeigesessen und gelächelt, doch es war ein angespanntes Lächeln. Alles an Elaine schien irgendwie angespannt zu sein, von ihrer eng anliegenden schwarzen Skihose bis hin zu ihrem merkwürdig faltenlosen Gesicht. Sie war in Mauras Alter und ungefähr so groß wie sie, dabei schlank wie ein Model, mit einer beneidenswerten Taille und der nötigen Selbstbeherrschung, um dafür zu sorgen, dass es so blieb. Während Doug, Maura und Arlo sich eine Flasche Wein teilten, nippte Elaine nur Mineralwasser, garniert mit einer Limettenscheibe, und sie ließ wohlweislich die Finger von der Schüssel Nüsse, aus der sich Arlo so großzügig bediente. Maura konnte keine Gemeinsamkeiten zwischen den beiden entdecken, und sie hatte größte Mühe, sich die beiden als Paar vorzustellen.
Dougs Tochter Grace war auf ihre Art ein Rätsel. Er hatte seine Exfrau als eine außergewöhnliche Schönheit beschrieben, und sie hatte ihre günstigen Gene zweifellos an ihre Tochter vererbt. Mit ihren dreizehn Jahren war Grace bereits ein atemberaubender Anblick, eine langbeinige Blondine mit elegant geschwungenen Brauen und kristallblauen Augen. Aber es war eine entrückte Schönheit, kühl und abweisend. Das Mädchen hatte kaum ein Wort zur Unterhaltung beigesteuert. Stattdessen hatte sie trotzig die Stöpsel ihres iPods in den Ohren behalten. Jetzt seufzte sie theatralisch und schälte ihren schlaksigen Körper aus dem Sitz.
»Dad, kann ich jetzt wieder auf mein Zimmer gehen?«
»Ach, komm schon, Schätzchen, bleib doch noch bei uns«, drängte Doug sie. »So schrecklich langweilig sind wir doch auch wieder nicht.«
»Ich bin müde.«
»Du bist erst dreizehn«, meinte Arlo und grinste spöttisch. »In deinem Alter solltest du ganz wild darauf sein, mit uns einen draufzumachen.«
»Ihr braucht mich doch sowieso nicht hier.«
Doug betrachtete kritisch ihren iPod, den er offenbar erst jetzt bemerkt hatte. »Schalt das Ding aus, okay? Versuch lieber mal, dich an der Unterhaltung zu beteiligen.«
Das Mädchen schoss ihm einen Blick zu, in dem die ganze Verachtung eines Teenagers lag, und fläzte sich wieder auf den Stuhl.
»… also, wie gesagt, ich hab sämtliche Restaurants in der Gegend gecheckt, und da ist keines dabei, für das es sich anzuhalten lohnt«, erklärte Arlo. Er schob sich noch eine Handvoll Nüsse in den Mund und wischte sich das Salz von den Patschhänden. Dann nahm er seine Brille ab, um sie zu putzen. »Ich denke, wir sollten gleich bis zur Hütte durchfahren und dort zu Mittag essen. Die haben zumindest schon mal Steak auf der
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