Totengrund
sie dreitausend im Jahr gekostet, das machte dreißigtausend Dollar in zehn Jahren, nur um sich nicht von diesen Habseligkeiten trennen zu müssen. Es waren genug Möbel, um ein größeres Einfamilienhaus auszustatten, wenn auch nicht übermäßig geschmackvoll. Die Kommoden und Bücherregale waren aus welligen Spanplatten, und die vergilbten Lampenschirme sahen aus, als würden sie bei der leisesten Berührung zerfallen. Wertloser Krempel, jedenfalls in Janes Augen. Aber was hatte Betty Ann gesehen, wenn sie das zerschlissene Sofa und die wackligen Stühle betrachtet hatte – Schätze oder Schrott?
Und in welche Kategorie gehörte der Mann in der Gefriertruhe?
»Glauben Sie, dass sie ihn ermordet hat?«, fragte Dottie Dugan.
Jane sah sie an. »Ich weiß es nicht, Ma ’ am. Wir wissen ja nicht einmal, wer er ist. Wir müssen erst einmal hören, was der Rechtsmediziner sagt.«
»Wenn sie ihn nicht umgebracht hat, wieso legt sie ihn dann in die Gefriertruhe?«
»Sie würden staunen, wenn Sie wüssten, was die Leute so alles machen.« Jane schloss den Deckel der Truhe. Sie war froh, dieses erstarrte Gesicht nicht länger anschauen zu müssen, mit seinen eisverkrusteten Wimpern. »Vielleicht wollte sie ihn einfach nicht verlieren.«
»Ich kann mir vorstellen, dass Sie bei der Kripo eine Menge merkwürdige Sachen zu sehen bekommen.«
»Mehr, als uns lieb ist.« Jane seufzte, und ihr Atem entwich als kleine Dampfwolke. Sie dachte mit Grauen an die bevorstehende Spurensuche in diesem elend kalten Kasten. Wenigstens arbeitete die Zeit nicht gegen sie; es bestand keine Gefahr, dass ihnen Beweisstücke durch die Lappen gingen, und auch bei der Tatverdächtigen bestand keine Fluchtgefahr mehr.
Ihr Handy klingelte. »Entschuldigen Sie mich«, sagte sie und trat ein paar Schritte zur Seite, um den Anruf anzunehmen. »Detective Rizzoli.«
»Entschuldigen Sie, dass ich Sie so spätabends noch störe«, sagte Pater Daniel Brophy. »Ich habe gerade mit Ihrem Mann gesprochen, und er sagte, dass Sie im Einsatz seien.«
Sie war nicht überrascht, von Brophy zu hören. Als Polizeigeistlicher des Boston PD wurde er oft zu Tatorten gerufen, um den trauernden Angehörigen beizustehen. »Wir kommen hier schon allein klar, Daniel«, sagte sie. »Es gibt offenbar keine Verwandten, die betreut werden müssten.«
»Eigentlich rufe ich wegen Maura an.« Er hielt inne. Es fiel ihm offensichtlich schwer, das Thema anzusprechen, und das war auch nicht verwunderlich. Seine Affäre mit Maura war für Jane längst kein Geheimnis mehr, und er musste wissen, dass sie das Verhältnis missbilligte, auch wenn sie es ihm niemals ins Gesicht gesagt hätte.
»Ich kann sie auf ihrem Handy nicht erreichen«, sagte er. »Ich mache mir Sorgen.«
»Vielleicht nimmt sie nur gerade keine Anrufe an.« Doch was sie dachte, war: Ihre Anrufe .
»Ich habe ihr ein Dutzend Nachrichten hinterlassen. Ich wollte nur wissen, ob Sie sie vielleicht erreicht haben.«
»Ich habe es nicht versucht.«
»Ich will mich nur vergewissern, dass alles in Ordnung ist.«
»Sie ist bei einer Tagung, nicht wahr? Vielleicht hat sie ihr Handy ausgeschaltet.«
»Sie wissen also nicht, wo sie ist?«
»Soviel ich weiß, ist es irgendwo draußen in Wyoming.«
»Ja, ich weiß auch, wo sie angeblich sein sollte.«
»Haben Sie mal versucht, in Mauras Hotel anzurufen?«
»Das ist es ja eben. Sie ist heute Morgen abgereist.«
Jane drehte sich um, als die Tür des Containers wieder aufging und der Rechtsmediziner hereinschlüpfte. »Ich bin gerade ziemlich beschäftigt«, sagte sie zu Brophy.
»Sie wollte eigentlich erst morgen abreisen.«
»Dann hat sie es sich eben anders überlegt. Sie hat ihre Pläne geändert.«
»Davon hat sie mir nichts gesagt. Was mir Sorgen macht, ist, dass ich sie nicht erreichen kann.«
Jane winkte dem Rechtsmediziner zu, der sich zwischen den Möbelbergen hindurch zu Frost und der Gefriertruhe durchkämpfte. Nicht gewillt, sich länger von der Arbeit abhalten zu lassen, sagte sie geradeheraus: »Vielleicht will sie ja nicht erreicht werden. Haben Sie mal die Möglichkeit in Erwägung gezogen, dass sie ein wenig Zeit für sich selbst braucht?«
Er schwieg.
Es war eine brutale Frage, und schon tat es ihr leid, sie gestellt zu haben. »Sie wissen doch«, fuhr sie in milderem Ton fort, »dass das letzte Jahr nicht leicht für sie war.«
»Ich weiß.«
»Sie haben es in der Hand, Daniel. Es geht nur darum, wie Sie sich entscheiden.«
»Glauben Sie,
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