Totengrund
Blut – schockierend grellrote Spritzer auf dem Weiß des Schnees, die in breiten Bahnen zerliefen.
»Halt ihn still!«, schrie Doug. »Elaine, du musst ihn stillhalten!«
Grace s Schreie verebbten zu einem erstickten Schluchzen.
Maura lief um den Jeep herum und sah, dass der aufgewühlte Schnee hinter dem Wagen geradezu mit Blut getränkt war, das in der Kälte dampfte. Sie konnte nicht sehen, wo es herkam, weil Doug und Elaine, die neben dem rechten Hinterrad knieten, ihr den Blick verstellten. Erst als sie sich über Dougs Schulter beugte, sah sie Arlo. Er lag auf dem Rücken, Jacke und Hose von Blut getränkt. Elaine hielt Arlos Schultern fest, während Doug mit beiden Händen auf seine entblößte Leiste drückte. Maura erhaschte einen Blick auf Arlos linkes Bein – oder vielmehr das, was davon übrig war – und prallte entsetzt zurück.
»Ich brauche etwas zum Abbinden!«, schrie Doug. Verzweifelt versuchte er, die Oberschenkelarterie abzudrücken, doch seine blutverschmierten Hände drohten immer wieder abzurutschen.
Maura schnallte rasch ihren Gürtel auf und riss ihn heraus. Sie ließ sich in dem blutgetränkten Schnee auf die Knie fallen und spürte, wie der eiskalte Matsch ihre Hosenbeine tränkte. Trotz des Drucks, den Doug auf die Arterie ausübte, ergoss sich ein stetiger roter Strom in den Schnee. Maura führte den Gürtel unter Arlos Oberschenkel hindurch und verschmierte dabei ihren Jackenärmel mit Blut; ein grellroter Streifen blieb auf dem weißen Nylon zurück. Während sie den Gürtel um das Bein schlang, spürte sie, wie Arlo zitterte – ein Symptom des nahenden Schocks. Sie zog den Gürtel stramm, und der Blutstrom verebbte zu einem dünnen Rinnsal. Jetzt erst, nachdem die Blutung unter Kontrolle war, nahm Doug die Hände von der verletzten Arterie. Er ließ sich zurückfallen und starrte die klaffende Wunde an, aus der der blanke Knochen ragte. Das Bein war so stark verdreht, dass der Fuß in die eine Richtung zeigte und das Knie in die andere.
»Arlo?«, sagte Elaine. » Arlo? « Sie schüttelte ihn, doch seine Muskeln waren erschlafft, und er zeigte keine Reaktion.
Doug legte den Finger an Arlos Hals. »Er hat einen Puls. Und er atmet. Ich glaube, er ist nur ohnmächtig geworden.«
»O Gott.« Elaine richtete sich auf und wankte davon. Sie konnten hören, wie sie sich in den Schnee erbrach.
Doug sah auf seine Hände hinunter, schüttelte sich und griff in den Schnee, um sich das Blut abzuwaschen. »Die Schneekette«, stieß er halblaut hervor, während er die Haut mit Schnee schrubbte, als könne er sich damit von dem Entsetzen reinwaschen. »Eines der gebrochenen Kettenglieder muss sich in seiner Hose verfangen haben. Sein Bein hat sich um die Achse gewickelt …« Doug ließ sich nach hinten fallen und atmete halb seufzend, halb schluchzend aus. »Wir werden diesen Jeep nie hier rausbringen. Die Kette ist völlig im Eimer.«
»Doug, wir müssen ihn ins Haus zurückschaffen«, sagte Maura.
»Ins Haus?« Doug starrte sie an. »Verdammt, was er braucht, ist ein OP!«
»Er kann nicht hier draußen in der Kälte bleiben. Er hat einen Schock.« Sie richtete sich auf und blickte sich um. Grace stand ein wenig abseits, sie hatte den Kopf gesenkt und wandte ihnen den Rücken zu. Elaine kauerte im Schnee, als sei sie zu benommen, um aufstehen zu können. Beide würden ihr keine Hilfe sein.
»Ich bin gleich zurück. Ihr bleibt bei ihm.«
»Wohin willst du?«
»Ich habe in einer der Garagen einen Schlitten gesehen. Mit dem können wir ihn ziehen.« Sie ließ die anderen stehen und lief Richtung Dorf zurück. Ihre Stiefelsohlen rutschten und glitschten in den tiefen Rillen, die die Reifen des Jeeps beim Anstieg hinterlassen hatten. Es war eine Erleichterung, den blutigen Schnee und ihre traumatisierten Freunde hinter sich zu lassen, eine Erleichterung, sich auf eine konkrete Aufgabe konzentrieren zu können, die nur Schnelligkeit und Muskelkraft erforderte. Ihr graute vor dem, was ihnen bevorstand, wenn sie Arlo ins Haus zurückgebracht haben würden. Dann würden sie sich dem Anblick dessen stellen müssen, was von seinem Bein übrig war. Es schien nur noch aus zerfetztem Fleisch und gesplitterten Knochen zu bestehen.
Der Schlitten. Wo hatte sie diesen Schlitten gesehen?
Sie fand ihn schließlich in der dritten Garage, wo er neben einer Leiter und einem Sortiment von Werkzeugen an einem Nagel an der Wand hing. Wer immer hier wohnte, hatte einen Sinn für Ordnung gehabt, und als
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