Totengrund
mal wirken. Das wird ihn ruhiger machen.«
»Aber er wird trotzdem bei Bewusstsein sein. Er wird den Schnitt dennoch spüren.«
»Er wird uns später dafür danken. Glaub mir.« Doug wandte sich an Elaine. »Du stimmst mir doch zu, oder? Wir können sein Bein nicht einfach aufgeben.«
Elaine zögerte, offensichtlich hin- und hergerissen zwischen zwei gleichermaßen furchtbaren Alternativen. »Ich weiß nicht …«
»Wir können das Stauband nur lockern, wenn wir vorher die Arterie abbinden. Und nur so können wir die Durchblutung wenigstens teilweise wiederherstellen.«
»Glaubst du wirklich, dass ihr das schaffen könnt?«
»Es ist ein ziemlich simpler Eingriff. Maura und ich kennen uns beide mit der Anatomie aus.«
»Aber er wird nicht stillhalten«, wandte Maura ein. »Er könnte noch viel mehr Blut verlieren. Ich bin nicht damit einverstanden, Doug.«
»Die Alternative ist, das Bein zu opfern.«
»Ich glaube, das Bein ist ohnehin nicht mehr zu retten.«
»Das glaube ich eben nicht.« Doug wandte sich wieder an Elaine. »Wir müssen darüber abstimmen. Versuchen wir, sein Bein zu retten, oder nicht?«
Elaine atmete tief durch und nickte. »Ich denke, ich schließe mich dir an.«
Das war ja nicht anders zu erwarten. Arlo hatte recht. Sie schlägt sich immer auf Dougs Seite.
»Maura?«, fragte er.
»Du weißt, was ich denke.«
Er sah zum Fenster. »Wir haben nicht mehr sehr viel Zeit. Es wird bald dunkel, und ich bin mir nicht sicher, ob wir mit der Petroleumlampe genug sehen können.« Er sah Maura an. »Elaine und ich stimmen dafür, die Sache durchzuziehen.«
»Ihr habt eine Stimme vergessen. Nämlich die von Arlo, und er hat unmissverständlich klargemacht, was er will.«
»Er ist derzeit nicht in der Verfassung, irgendwelche Entscheidungen zu treffen.«
»Es ist sein Bein.«
»Und wir können es retten! Aber ich brauche deine Hilfe, Maura. Ich schaffe es nicht ohne dich.«
»Dad?« Grace stand in der Küchentür. »Er sieht gar nicht gut aus.«
»Wie meinst du das?«
»Er redet nicht mehr. Und er schnarcht total laut.«
Doug nickte. »Dann wirken die Medikamente wohl. Lasst uns gleich ein paar Instrumente abkochen. Und wir werden Nadeln brauchen und eine Rolle Garn.« Er sah Maura an. »Kann ich nun mit dir rechnen oder nicht?«
Es spielt keine Rolle, was ich sage, dachte sie. Er wird es so oder so tun.
»Ich sehe mal nach, was ich finden kann«, sagte sie.
Es dauerte eine Stunde, bis sie sämtliche Instrumente, die sie hatten auftreiben können, zusammengetragen und sterilisiert hatten. Inzwischen drang durch das Fenster nur noch trübes Spätnachmittagslicht. Sie zündeten die Petroleumlampe an, und im Schein der zischenden Flamme wirkten Arlos Augen tief eingefallen und verschattet, als ob das weiche Gewebe seines Körpers in sich zusammensänke, als ob sein Körper sich selbst verzehrte. Doug schlug vorsichtig die Decke zurück, und von dem uringetränkten Stoff stieg ein scharfer Geruch auf.
Das Bein war so bleich wie ein abgehangenes Stück Fleisch.
So kräftig sie auch schrubbten, sie würden es nie schaffen, ihre Hände von allen Bakterien zu befreien, aber Doug und Maura versuchten es dennoch, seiften sich ein und wuschen sich wieder und wieder, bis ihre Haut wund und gerötet war. Erst dann griff Doug nach dem Messer. Es war ein Schälmesser, das feinste, das sie hatten finden können, und sie hatten es geschliffen, ehe sie es sterilisierten. Als er sich über das Bein beugte, verriet sein flackernder Blick zum ersten Mal Unsicherheit. Er sah zu Maura auf.
»Wenn ich dir das Zeichen gebe, lockerst du das Stauband, okay?«, sagte er.
»Du hast doch die Arterie noch gar nicht abgebunden«, protestierte Elaine.
»Wir müssen erst einmal herausfinden, welche Arterie es ist. Und das können wir nur sehen, wenn er blutet. Du musst ihn still halten, Elaine. Denn er wird auf jeden Fall aufwachen.« Er sah Maura an und nickte.
Sie lockerte den Gürtel ein kleines Stück, und schon schoss ein Schwall Blut aus der Wunde, der Doug an die Wange spritzte.
»Es ist die vordere Schienbeinarterie«, sagte Doug. »Ich bin mir sicher.«
»Zieh den Gürtel zu!«, rief Elaine voller Panik. »Er verblutet ja!«
Maura zog den Gürtel wieder stramm und sah Doug an. Er holte tief Luft und begann zu schneiden.
Sobald die Klinge in das Fleisch drang, erwachte Arlo mit einem Schrei.
»Halt ihn! Halt ihn still!«, rief Doug.
Arlo schrie und schrie, sträubte sich mit aller Kraft, die Sehnen
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