Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totengrund

Totengrund

Titel: Totengrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
Vom Netzwerk:
an seinem Hals so straff gespannt, dass sie kurz vor dem Reißen schienen. Elaine drückte seine Schultern auf den Boden zurück, doch sie konnte ihn nicht daran hindern, auszuschlagen und nach seinen Peinigern zu treten. Maura versuchte, seine Oberschenkel zu fixieren, doch seine nackte Haut war glitschig von Blut und Schweiß, also warf sie sich mit ihrem ganzen Gewicht quer über seine Hüften. Arlos Schreie steigerten sich zu einem markerschütternden Kreischen, so durchdringend, dass Maura das Gefühl hatte, es käme aus ihrem eigenen Körper, als ob sie selbst auch schrie. Doug sagte etwas, doch Arlos Geschrei übertönte alles. Erst als sie aufblickte, sah sie, dass er das Messer hingelegt hatte. Er sah erschöpft aus, und trotz der Kälte im Zimmer glänzte sein Gesicht vor Schweiß.
    »Geschafft«, sagte er. Er ließ sich nach hinten fallen und wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn. »Ich glaube, ich habe sie erwischt.«
    Arlo schluchzte gequält. »Scheiß auf dich, Doug. Scheiß auf euch alle.«
    »Arlo, wir mussten es tun«, sagte Doug. »Maura, du kannst das Stauband jetzt lockern. Wollen mal sehen, ob wir die Blutung unter Kontrolle gebracht haben.«
    Langsam löste Maura den Gürtel. Halb rechnete sie damit, dass das Blut wieder hervorschießen würde. Doch es kam nichts, nicht einmal ein dünnes Rinnsal.
    Doug fasste Arlos Fuß an. »Die Haut ist immer noch kalt. Aber ich glaube, sie wird schon leicht rosa.«
    Maura schüttelte den Kopf. »Ich kann keine Anzeichen von Durchblutung erkennen.«
    »Doch, schau. Sie verfärbt sich, ganz eindeutig.« Er drückte die Handfläche auf den Fuß. »Ich glaube, er wird auch schon warm.«
    Maura betrachtete skeptisch die Haut, die genauso tot und bleich aussah wie zuvor, doch sie sagte nichts. Es machte keinen Unterschied, was sie dachte; Doug hatte sich erfolgreich eingeredet, dass die Operation gelungen sei, dass sie genau das geschafft hätten, was sie sich vorgenommen hatten. Dass alles gut werden würde. In Dougs Welt ging alles immer gut aus. Nur Mut und einfach aus dem Flugzeug gesprungen – das Universum wird ’ s schon richten.
    Immerhin hatten sie das Stauband abnehmen können. Immerhin blutete er nicht mehr.
    Sie richtete sich auf, roch den säuerlichen Gestank von Arlos Schweiß auf ihren Kleidern. Arlo, erschöpft von seinem Martyrium, war jetzt still und dämmerte allmählich weg. Sie massierte sich den schmerzenden Nacken und trat ans Fenster, um hinauszuschauen, erleichtert, ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes richten zu können – was auch immer, solange es nicht ihr Patient war. »In einer Stunde ist es dunkel«, sagte sie. »Wir können jetzt nicht mehr hier weg.«
    »Nicht mit dem Jeep«, pflichtete Doug ihr bei. »Nicht mit den kaputten Schneeketten.« Sie hörte das Klirren, als er mit den Tablettenfläschchen hantierte. »Wir haben genug Percocet, um ihn noch mindestens einen weiteren Tag ruhig zu halten. Und Elaine sagte ja, dass sie Codein in ihrer Handtasche hat – wenn ich die bloß finden könnte.«
    Maura wandte sich vom Fenster ab. Alle sahen genauso ausgelaugt aus, wie sie sich fühlte. Elaine saß zusammengesunken auf dem Sofa. Doug starrte apathisch die Batterie von Arzneifläschchen an. Und Grace – Grace hatte schon längst die Flucht ergriffen.
    »Er muss ins Krankenhaus«, stellte Maura fest.
    »Du hast gesagt, dass du heute Abend in Boston zurückerwartet wirst«, sagte Elaine. »Sie werden nach dir suchen.«
    »Das Problem ist, dass sie nicht wissen, wo sie suchen sollen.«
    »Da war dieser Alte an der Tankstelle. Der dir die Zeitung verkauft hat. Er wird sich an uns erinnern. Wenn er hört, dass du vermisst wirst, wird er die Polizei anrufen. Irgendwann muss doch jemand hier vorbeikommen.«
    Maura sah auf Arlo hinunter, der wieder das Bewusstsein verloren hatte. Aber für ihn wird es zu spät sein.

12
    »Was wolltest du mir zeigen?«, fragte Doug.
    »Komm mit«, flüsterte Maura. An der Tür hielt sie inne und warf einen Blick zurück ins Zimmer. Die anderen waren alle eingeschlafen. Jetzt war der Moment günstig, sich davonzuschleichen. Sie nahm die Petroleumlampe und trat hinaus in die Nacht.
    Der Vollmond war aufgegangen, und der Himmel war mit Sternen übersät. Sie brauchte die Lampe nicht, um den Weg zu sehen; der Schnee unter ihren Füßen schien geradezu von innen zu leuchten. Der Wind hatte sich gelegt, und das einzige Geräusch war das Knirschen ihrer Schritte auf der Eisschicht, die den Schnee wie

Weitere Kostenlose Bücher