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Totengrund

Totengrund

Titel: Totengrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Entrückung?«
    Doug und Maura wechselten einen Blick, und er seufzte. »Das ist bloß ein Aberglaube, Schatz. So eine verrückte Vorstellung, dass die Welt, wie wir sie kennen, am Jüngsten Tag untergehen wird. Und dass dann Gottes Auserwählte geradewegs in den Himmel auffahren werden.«
    »Und was passiert mit allen anderen?«
    »Alle anderen sitzen auf der Erde fest.«
    »Und werden abgeschlachtet«, flüsterte Arlo. »All die Sünder, die zurückbleiben, werden abgeschlachtet.«
    »Was?« Grace sah ihren Vater ängstlich an.
    »Schatz, das ist alles Unfug. Vergiss es.«
    »Aber gibt es wirklich Leute, die das glauben? Die glauben, dass das Ende der Welt kommt?«
    »Es gibt auch Leute, die an Entführungen durch Außerirdische glauben. Benutz dein Köpfchen, Grace! Glaubst du wirklich, dass Menschen wie durch Zauberei in den Himmel aufsteigen können?«
    Das Fenster klapperte, als ob irgendetwas draußen an der Scheibe kratzte und versuchte, ins Haus zu gelangen. Ein Luftzug fuhr heulend durch den Kamin, stob die Flammen auseinander und blies eine Rauchwolke ins Zimmer.
    Grace schlang die Arme fest um die Knie. Während sie den Blick starr auf die schwankenden Schatten an der Decke gerichtet hielt, flüsterte sie: »Und wohin sind dann all diese Leute verschwunden?«

13
    Das Mädchen war eine geballte, zehneinhalb Kilo schwere Ladung. NEIN! Nein, will nicht ins Bett! Nein, nicht schlafen! Nein, nein, nein!
    Jane und Gabriel hingen todmüde auf dem Sofa und sahen mit schweren Lidern zu, wie ihre Tochter Regina im Zimmer herumwirbelte wie ein Mini-Derwisch.
    »Wie lange kann sie denn noch wach bleiben?«, fragte Jane.
    »Länger als wir.«
    »Man sollte doch meinen, dass ihr davon irgendwann kotzübel wird.«
    »Sollte man meinen«, sagte Gabriel.
    »Irgendjemand muss hier ein Machtwort sprechen.«
    »Stimmt.«
    »Irgendjemand muss die Elternrolle übernehmen.«
    »Bin ganz deiner Meinung.« Er sah Jane an.
    »Was?«
    »Du bist dran als böser Cop.«
    »Wieso ich?«
    »Weil du das so gut kannst. Außerdem hab ich sie die letzten drei Mal ins Bett gebracht. Sie hört einfach nicht auf mich.«
    »Weil sie kapiert hat, dass Mr. FBI ein totaler Umfaller ist.«
    Er sah auf seine Uhr. »Jane, es ist Mitternacht.«
    Ihre Tochter drehte sich nur umso schneller. War ich in ihrem Alter eigentlich auch so anstrengend?, fragte sich Jane. Das musste wohl gemeint sein, wenn die Leute von »ausgleichender Gerechtigkeit« redeten. Eines Tages wirst du eine Tochter haben, die genauso ist wie du, hatte ihre Mutter immer gejammert.
    Und da ist sie nun.
    Stöhnend hievte Jane sich vom Sofa hoch – der böse Cop trat endlich doch in Aktion. »Zeit fürs Bett, Regina«, sagte sie.
    »Nein.«
    »O doch.«
    » Nein! « Der kleine Kobold trippelte davon, dass die schwarzen Löckchen nur so flogen. Jane trieb sie in der Küche in die Enge und packte sie. Es war, als versuchte man, einen zappelnden Fisch festzuhalten; jeder Muskel und jede Sehne in dem kleinen Körper sträubte sich.
    »Nicht Bett gehen! Nicht Bett gehen!«
    »Doch Bett gehen«, sagte Jane und trug ihre Tochter, die wild mit Armen und Beinen ruderte, ins Kinderzimmer. Sie legte Regina in ihr Bettchen, schaltete das Licht aus und schloss die Tür. Damit erreichte sie nur, dass das Geschrei noch markerschütternder wurde. Kein Wehklagen, sondern das reinste Wutgeheul.
    Das Telefon klingelte. Oh, verdammt, das sind sicher die Nachbarn, die sich wieder über den Lärm beschweren .
    »Sag ihnen, es kommt nicht infrage, dass wir ihr Valium geben!«, rief Jane, als Gabriel in die Küche ging, um den Anruf anzunehmen.
    »Wir sind diejenigen, die Valium gebrauchen könnten«, meinte er und griff nach dem Hörer. »Hallo?«
    Zu erschöpft, um gerade stehen zu können, lehnte Jane am Rahmen der Küchentür und stellte sich die Schimpftirade vor, die sich in diesem Moment wohl aus dem Hörer ergoss. Es mussten diese Windsor-Millers sein, ein Paar in den Dreißigern, das erst vor einem Monat ins Haus eingezogen war. Seither hatten sie schon mindestens ein Dutzend Mal angerufen, um sich zu beschweren. Ihr Kind hält uns die ganze Nacht wach. Wir haben beide einen sehr anstrengenden Job, müssen Sie wissen. Können Sie Ihre Tochter nicht in den Griff bekommen? Die Windsor-Millers hatten selbst keine Kinder, weshalb es wohl nicht in ihren Kopf ging, dass man eine Anderthalbjährige nicht ein- und ausschalten konnte wie einen Fernseher. Jane hatte einmal einen kurzen Blick in ihre Wohnung

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