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Totengrund

Totengrund

Titel: Totengrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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einer Krise konfrontiert wurde, konnte er sich im Handumdrehen vom erschöpften Familienvater in den FBI-Agenten verwandeln, der er war – auch wenn sie das bisweilen vergaß. Jetzt beobachtete er Brophy mit Augen, die nichts verrieten, aber alles registrierten.
    »War sie so aufgebracht, dass sie etwas Unüberlegtes hätte tun können?«, fragte Gabriel. »Etwa sich absetzen, ohne jemandem Bescheid zu sagen? Oder noch Schlimmeres?«
    Brophy schüttelte den Kopf. »Nicht Maura.«
    »In Stresssituationen tun Menschen oft Dinge, mit denen man nicht rechnen würde.«
    »Aber nicht sie ! Ich bitte Sie, Gabriel, Sie kennen sie doch. Sie beide kennen sie.« Brophy sah Jane an und dann wieder Gabriel. »Glauben Sie im Ernst, dass sie so unreif ist? Dass sie einfach untertauchen würde, nur um es mir heimzuzahlen?«
    »Sie hat uns schon einmal überrascht«, sagte Jane. »Als sie sich in Sie verliebt hat.«
    Er errötete – jetzt endlich bekamen seine Wangen Farbe. »Aber sie würde nichts Unverantwortliches tun. Sie würde nicht einfach so verschwinden.«
    »Verschwinden? Oder einfach nur Ihnen aus dem Weg gehen?«
    »Sie hatte ein Ticket für diesen Flug. Sie hat mich gebeten, sie am Flughafen abzuholen. Wenn Maura sagt, dass sie etwas tun wird, dann tut sie es auch. Und wenn ihr etwas dazwischenkommt, dann ruft sie an. Sie könnte noch so wütend auf mich sein, zu so etwas würde sie sich niemals herablassen. So gut kennen Sie sie doch, Jane. Wir beide kennen sie so gut.«
    »Aber wenn sie wirklich verzweifelt wäre?«, wandte Gabriel ein. »Verzweifelte Menschen greifen oft zu drastischen Maßnahmen.«
    Jane sah ihn an und runzelte die Stirn. »Wovon sprichst du? Von Selbstmord?«
    Gabriel hielt den Blick auf Brophy gerichtet. »Was genau hat sich in der letzten Zeit zwischen Ihnen beiden abgespielt?«
    Brophy ließ den Kopf sinken. »Ich glaube, wir haben beide erkannt, dass … sich etwas ändern muss.«
    »Haben Sie ihr gesagt, dass Sie die Beziehung beenden wollen?«
    »Nein.« Brophy blickte auf. »Sie weiß, dass ich sie liebe.«
    Aber das ist nicht genug, dachte Jane. Nicht genug, um ein gemeinsames Leben darauf aufzubauen.
    »Sie würde sich nichts antun.« Brophy richtete sich im Sessel auf, und seine Züge verhärteten sich zu einem Ausdruck der Gewissheit. »Sie würde keine Spielchen spielen. Es ist etwas passiert, und ich kann nicht verstehen, dass Sie diese Sache nicht ernst nehmen.«
    »Das tun wir sehr wohl«, erwiderte Gabriel ruhig. »Deswegen stellen wir all diese Fragen, Daniel. Denn es sind die gleichen Fragen, die die Polizei in Wyoming stellen wird. Zu Mauras Gemütszustand. Zu der Möglichkeit, dass sie aus freien Stücken untergetaucht sein könnte. Ich will nur sichergehen, dass Sie die Antworten wissen.«
    »In welchem Hotel hat sie gewohnt?«, fragte Jane.
    »Im Mountain Lodge, das ist in Teton Village. Ich habe schon dort angerufen, und man sagte mir, sie sei am Samstagmorgen abgereist. Einen Tag früher als geplant.«
    »Wusste man dort, wohin sie gefahren ist?«
    »Nein.«
    »Kann es sein, dass sie einen früheren Flug nach Hause genommen hat? Vielleicht ist sie ja schon wieder in Boston.«
    »Ich habe sie zu Hause angerufen. Ich bin sogar an ihrem Haus vorbeigefahren. Sie ist nicht da.«
    »Wissen Sie sonst noch irgendetwas über ihre Reisepläne?«, fragte Gabriel.
    »Ich habe ihre Flugnummern. Ich weiß, dass sie in Jackson einen Wagen gemietet hat. Sie wollte sich nach dem Ende der Tagung noch ein wenig die Gegend anschauen.«
    »Bei welcher Firma hat sie den Wagen gemietet?«
    »Bei Hertz.«
    »Wissen Sie, ob sie außer mit Ihnen noch mit jemandem telefoniert hat? Mit ihren Kollegen in der Rechtsmedizin vielleicht? Mit ihrer Sekretärin?«
    »Ich habe Louise am Samstag angerufen, und sie hatte auch nichts von ihr gehört. Ich habe dann nicht mehr nachgefragt, weil ich annahm …« Er sah Jane an. »Ich dachte, Sie würden der Sache nachgehen.«
    Es lag kein Vorwurf in seiner Stimme, aber sie hätte es ihm nicht verdenken können. Jane spürte, wie das schlechte Gewissen ihr die Röte ins Gesicht trieb. Er hatte sie angerufen, und sie hatte es versiebt, weil sie mit anderen Dingen beschäftigt gewesen war. Mit einer Leiche in einer Tiefkühltruhe. Mit ihrem renitenten Nachwuchs. Sie hatte nicht wirklich geglaubt, dass etwas passiert war; hatte angenommen, dass es nur ein Beziehungskrach sei und dass Maura ihn am ausgestreckten Arm verhungern ließ. So etwas passierte doch ständig,

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