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Totengrund

Totengrund

Titel: Totengrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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nicht wahr? Und dann war da die Tatsache, dass Maura einen Tag früher als geplant aus ihrem Hotel ausgecheckt hatte. Das hörte sich nicht nach einer Entführung an, sondern nach einer bewussten Änderung ihrer Pläne. Nichts davon sprach Jane von dem Versäumnis frei, bis auf den einen Anruf auf Mauras Handy nichts weiter unternommen zu haben. Jetzt waren fast zwei Tage vergangen, die »goldenen achtundvierzig Stunden«, jenes Zeitfenster, in dem die Wahrscheinlichkeit, eine vermisste Person zu finden und einen Täter zu identifizieren, am höchsten ist.
    Gabriel stand auf. »Ich glaube, es wird Zeit, ein paar Leute anzurufen«, sagte er und ging in die Küche. Jane und Brophy saßen schweigend da, während sie ihn nebenan sprechen hörten – mit seiner FBI-Stimme, wie Jane es immer nannte, dem ruhigen und Respekt einflößenden Ton, den er bei dienstlichen Telefonaten an den Tag legte. Als sie ihn nun hörte, konnte sie kaum glauben, dass diese Stimme zu demselben Mann gehörte, der sich so schnell einem störrischen kleinen Mädchen geschlagen geben musste. Ich sollte eigentlich diese Anrufe übernehmen, dachte sie. Ich bin die Polizistin, die es versäumt hat, der Sache nachzugehen. Aber sie wusste, dass die Person am anderen Ende der Leitung nur diese drei Buchstaben FBI hören musste, um sofort ganz Ohr zu sein. Wenn man schon mit einem »Fibbie« verheiratet war, konnte man das ruhig auch einmal ausnutzen.
    »… weiblich, zweiundvierzig Jahre alt, soviel ich weiß. Ein Meter siebzig, Gewicht um die fünfundfünfzig Kilo …«
    »Was könnte sie veranlasst haben, einen Tag früher aus dem Hotel abzureisen?«, fragte Brophy leise. Er saß stocksteif im Sessel und starrte ins Leere. »Es ist mir nach wie vor ein Rätsel, warum sie das getan hat. Wohin ist sie gefahren – in eine andere Stadt, ein anderes Hotel? Warum hat sie so plötzlich ihre Pläne geändert?«
    Vielleicht hat sie jemanden kennengelernt. Einen Mann. Jane wollte es nicht aussprechen, aber das war ihr erster Gedanke gewesen – das Erste, woran jeder Polizist denken würde. Eine einsame Frau auf einer Geschäftsreise. Eine Frau, die gerade von ihrem Geliebten enttäuscht worden ist. Und dann kommt ein attraktiver Fremder daher und schlägt eine Spritztour aufs Land vor. Schon werden alle Pläne über den Haufen geworfen, um sich in ein kleines Abenteuer zu stürzen.
    Vielleicht hat sie sich auf ein Abenteuer mit dem falschen Mann eingelassen.
    Gabriel kam ins Wohnzimmer zurück, in der Hand das schnurlose Telefon. »Er ruft uns gleich zurück.«
    »Wer?«, fragte Brophy.
    »Der Detective in Jackson. Er sagt, sie hätten am Wochenende keine Verkehrsunfälle gehabt, und er wisse auch nichts von irgendwelchen nicht identifizierten Personen, die ins Krankenhaus eingeliefert wurden.«
    »Was ist mit …« Brophy hielt inne.
    »Oder von nicht identifizierten Leichen.«
    Brophy schluckte und sackte in den Sessel zurück. »Das wissen wir also immerhin. Sie liegt nicht in irgendeinem Krankenhaus.«
    Oder im Leichenschauhaus. Es war ein Bild, das Jane gerne gleich wieder verdrängt hätte, doch da war es: Maura, wie sie kalt und reglos auf dem Obduktionstisch lag, wie so viele andere Leichen, die Jane schon gesehen hatte. Bestimmt war jeder, der je in einem Sektionssaal gestanden hatte und bei einer Obduktion zugesehen hatte, schon einmal von der albtraumhaften Vorstellung heimgesucht worden, dass jemand, den er kannte oder liebte, auf diesem Tisch läge. Ohne Zweifel war es genau dieses Bild, das Daniel Brophy nun quälte.
    Jane kochte noch eine Kanne Kaffee. Drüben in Wyoming war es jetzt elf Uhr abends. Das Schweigen des Telefons schien nichts Gutes zu verheißen, während sie dasaßen und die Uhr anstarrten.
    »Wer weiß, vielleicht überrascht sie uns noch.« Jane lachte, aufgeputscht und nervös von zu viel Koffein und Zucker. »Vielleicht taucht sie morgen früh pünktlich in der Arbeit auf. Und erzählt uns, dass sie ihr Handy verloren hat oder so was in der Art.« Es war eine wenig überzeugende Erklärung, und keiner der beiden Männer hielt es für nötig, sie zu kommentieren.
    Das Klingeln des Telefons ließ sie alle auffahren. Gabriel griff nach dem Apparat. Er sagte nicht viel, und seine Miene verriet nicht, welche Informationen er gerade erhielt. Doch als er auflegte und Jane ansah, wusste sie, dass es keine guten Nachrichten waren.
    »Sie hat den Mietwagen bis jetzt nicht zurückgegeben.«
    »Die Kollegen haben bei Hertz

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