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Totengrund

Totengrund

Titel: Totengrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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denjenigen oder diejenige gar nicht richtig gekannt hat. Sie waren doch sicher selbst schon einmal in so einer Situation, Detective.«
    Jane konnte es nicht leugnen; wären die Rollen anders verteilt gewesen, hätte sie selbst wahrscheinlich die gleiche kleine Ansprache gehalten. Hätte erklärt, dass die Menschen oft nicht die sind, für die wir sie halten; nicht einmal diejenigen, die wir ein Leben lang geliebt haben. Sie dachte an ihre eigenen Eltern, deren Ehe nach fünfunddreißig Jahren wegen der Affäre ihres Vaters mit einer anderen Frau in die Brüche gegangen war. Sie dachte an die erstaunliche Verwandlung ihrer Mutter von einer altbackenen Hausfrau in eine lebenslustige Scheidungswitwe in tief ausgeschnittenen Kleidern. Nein, die Menschen sind oft nicht die, für die wir sie halten. Manchmal begehen sie einfach unerklärliche Dummheiten.
    Manchmal verlieben sie sich in katholische Priester.
    »Die Sache ist die: Wir haben bis jetzt noch keinerlei Beweise für ein Verbrechen«, sagte Queenan und zog seine Winterjacke an. »Kein Blut – nichts, was darauf hindeuten würde, dass irgendjemand sie zu irgendetwas gezwungen hat.«
    »Da war dieser Mann. Der, den die Hotelangestellte zusammen mit Maura gesehen hat.«
    »Was ist mit ihm?«
    »Wenn Maura mit diesem Kerl verschwunden ist, dann wüsste ich gerne, wer er ist. Sollten wir nicht zumindest die Videos vom Donnerstagabend überprüfen?«
    Queenan stand mit finsterer Miene da und schien zu überlegen, ob er seine Jacke wieder ausziehen sollte. Schließlich seufzte er. »Okay. Sehen wir uns den Donnerstagabend an. Die Rezeptionistin sagte, sie seien essen gegangen, also können wir uns auf die Zeit nach fünf Uhr nachmittags beschränken.«
    Diesmal dauerte es nicht so lange, bis sie gefunden hatten, was sie suchten. Laut Michelle war das Paar an die Rezeption gekommen, um nach dem Weg zum Restaurant zu fragen. Sie sahen das Video im schnellen Vorlauf durch und hielten es nur an, wenn jemand an die Rezeption trat. Passanten bewegten sich ruckartig über den Bildschirm. Die Zeitanzeige rückte gegen sechs Uhr abends vor, und die Lobby füllte sich mehr und mehr mit Gästen, die zum Abendessen aufbrachen. Die Frauen trugen jetzt Ohrringe und Halsketten, die Männer Anzüge und Krawatten.
    Um Viertel nach sechs erschien ein blonder Mann und ging direkt auf die Rezeption zu.
    »Da«, sagte Jane.
    Einen Moment lang war es still, während alle Blicke sich auf die dunkelhaarige Frau richteten, die neben dem Mann stand. Es gab keinen Zweifel an ihrer Identität.
    Es war Maura, und sie lächelte.
    »Das ist Ihr Mädchen, nehme ich an?«, fragte Queenan.
    »Ja«, erwiderte Jane leise.
    »Sie wirkt nicht sonderlich verstört, oder? Sieht aus wie eine Frau, die auf dem Weg in ein nettes Restaurant ist, finden Sie nicht?«
    Jane starrte das Bild Mauras und des namenlosen Mannes an ihrer Seite an. Queenan hat recht, dachte sie. Maura sah glücklich aus. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie zuletzt ein solches Lächeln im Gesicht ihrer Freundin gesehen hatte. In den letzten Monaten war Maura immer blasser geworden, hatte sich immer mehr zurückgezogen, als ob sie, indem sie Janes Fragen auswich, auch der Wahrheit ausweichen könnte. Und die Wahrheit war, dass die Liebe sie unglücklicher gemacht hatte als je zuvor.
    Und der Grund für dieses Unglück stand in diesem Moment neben Jane und betrachtete mit ihr die Aufnahmen des lächelnden Paars. Eines auffallend gut aussehenden Paars. Der Mann war groß und schlank, mit einem jungenhaft verwuschelten blonden Haarschopf. Trotz der schlechten Auflösung glaubte Jane zu sehen, wie er zwinkerte, und sie konnte sich vorstellen, warum die Rezeptionistin sich an diese Begegnung erinnerte. Dieser Mann wusste, wie er die Aufmerksamkeit einer Frau erregen konnte.
    Daniel verließ abrupt den Raum.
    Queenan sah ihm nachdenklich hinterher. »Habe ich irgendetwas Falsches gesagt?«, fragte er.
    »Es trifft ihn schwer«, sagte Jane. »Wir alle hatten auf Antworten gehofft.«
    »Ich denke, dieses Video könnte Ihre Antwort sein.« Queenan stand erneut auf und griff nach seiner Jacke. »Wir werden weiterhin Anrufe aus der Bevölkerung entgegennehmen. Und ich hoffe, dass Ihre Freundin sich entschließt, freiwillig wieder aufzutauchen.«
    »Ich will wissen, wer dieser Mann ist«, sagte Jane und deutete auf den Monitor.
    »Attraktiver Bursche. Kein Wunder, dass Ihre Bekannte über beide Ohren grinst.«
    »Wenn er ein Hotelgast ist«, sagte

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