Totenhaut
Foto war harmlos: Eine Frau blickte mit zur Seite gedrehtem Kopf in die Ferne, ein mildes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. Ohrenkorrektur, Lippenvergrößerung und -verkleinerung, Kinnimplantate.
»Meine Herren, kommen Sie bitte.«
Eine wohlproportionierte Frau, wahrscheinlich Mitte dreißig, stand im Türrahmen. Dieselbe frisch gestärkte Uniform wie die Rezeptionistin. Sie führte sie in ein Untersuchungszimmer.
»Sie haben eine Frage betreffend unsere Untersuchungshandschuhe?« Sie nahm einen Karton zur Hand, der an einer Ecke ihres Tisches stand. Auf dem Etikett stand: Puderfreie OP-Handschuhe. Latex. Nichtsteril.
» Genaugenommen geht es um die Person, die sie liefert«, sagte Rick.
Ihr perfekt bemalten Lippen zogen sich zu einem »O?« zusammen.
»Gordon Dean. Er arbeitet bei Protex«, fuhr Rick fort.
»Mr. Dean, ja. Er war vor zwei Tagen da.«
»Um welche Uhrzeit?«
»Ungefähr Viertel nach drei würde ich sagen.«
»Und blieb er lange?«
»Drei Minuten vielleicht.«
»Haben Sie sich mit ihm unterhalten? Wie kam er Ihnen vor?«
»Mich mit ihm unterhalten?« Die Vorstellung schien sie ins Grübeln zu bringen. »Nein. Ich habe die Lieferung abgezeichnet, und er ist gegangen.«
Jon erkannte, dass sie das nicht weiterbrachte. Er sah sich um. »Was spielt sich hier denn so ab?«
Ihr Blick richtete sich auf ihn. »Inwiefern?«
»In puncto Behandlungen. Haben Sie die Operationssäle und Ärzte hier versteckt? Es ist so ruhig.«
Sie schüttelte den Kopf. »Hier werden nur Behandlungen durchgeführt, die keinen chirurgischen Eingriff erfordern, maximal mit örtlicher Betäubung. Botox-Injektionen und Laserbehandlungen zum Beispiel. Die Hauptfunktion dieses Büros ist Beratung. Eine erste durch mich oder eine andere Krankenschwester, dann eine durch einen Chirurgen. Wenn alle Papiere vorbereitet sind, bekommt der Patient einen Termin für eine ärztliche Untersuchung und ein Vorbereitungsgespräch mit dem Chirurgen, der den Eingriff in einer nahe gelegenen Privatklinik vornehmen wird. Wir mieten dort die Operationssäle.«
»Und wer sind Ihre Chirurgen?«, fragte Jon.
»Gehört das zum ursprünglichen Anlass Ihres heutigen Besuchs oder ist es reine Neugier Ihrerseits, Detective Inspector?« In ihren Augen lag ein herausfordernder, beinahe provokanter Ausdruck.
Jon erwiderte diesen Blick einen Moment lang. »Ein bisschen von beidem wahrscheinlich.«
»Wir engagieren Chirurgen aus den verschiedensten Fach- und Himmelsrichtungen. Aber wenn Sie sich, wie so viele unserer Privatpatienten, Gedanken bezüglich ihrer beruflichen Qualifikation machen, kann ich Ihnen versichern, dass sie diese samt und sonders besitzen.«
»Faszinierend«, erwiderte Jon, ärgerlich über ihre Sprödheit.
Die Frau schien das zu spüren. Sie beugte sich vor, um ihn sich besser ansehen zu können, dann wandte sie sich an Rick. »Sie haben eine sehr schöne Haut. Verwenden Sie Feuchtigkeitspflege?«
»Ja.« Rick lächelte verunsichert.
Sie nickte und wandte sich dann wieder Jon zu. »Und Sie, DI Spicer? Ich habe den Verdacht, dass Sie das nicht tun.«
Sie erhob einen Zeigefinger und berührte die Haut am äußeren Rand ihrer Augenhöhlen. »Man sieht Ihre Krähenfüße, wenn Sie sprechen.«
Überrumpelt von diesem Themenwechsel war er schon drauf und dran, sie zu fragen, ob das ein neuer Name für Lachfalten sei, doch sie gab ihm keine Gelegenheit. »Die Narbe über Ihrer linken Augenbraue und den Höcker auf Ihrer Nase – von einem Bruch, nehme ich an –, in beiden Fällen kann man heutzutage problemlos Abhilfe schaffen. Mit ein paar sehr einfachen Eingriffen könnte man Ihr Gesicht um Jahre jünger aussehen lassen.«
Ihr Blick tastete ihn weiter ab, und Jon erkannte, dass sie nach Schönheitsfehlern, nach Unvollkommenheiten, nach irgendetwas suchte, das bei ihm Gefühle der Unsicherheit auslöste, mit denen sie spielen konnte. Er dankte seinem Schöpfer, dass sein Haar noch nicht begonnen hatte, sich zu lichten.
»Stellen Sie sich nur vor, wie begeistert Ihre Frau wäre.«
»Ich bin nicht verheiratet«, antwortete Jon.
»Viele der Männer, die wir behandeln, stellen fest, dass Korrekturen in ihrem Gesicht sich auch auf ihre Karrierechancen durchaus nicht negativ auswirken.«
Jon schüttelte den Kopf. »Sind Sie Krankenschwester oder Vertrieblerin?«
»Nur ein paar Denkanstöße.« Sie lächelte und reichte ihm eine Visitenkarte.
Jon warf einen Blick darauf und ließ sie auf den Tisch fallen. »Nein, besten
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