Totenhaut
Krankenhaus Stepping Hill hat?«
»Habe ich, und haben wir nicht. Haben Sie eine E-Mail-Adresse, an die ich Ihnen Gordons Kundenliste schicken kann?«
Jon gab sie ihm, und ein paar Sekunden später erschien die Nachricht auf seinem Bildschirm. Es gab zwei Anlagen. Einmal eine komplette Liste von Gordon Deans Kunden und dann noch eine kürzere von all jenen, die er in den Tagen vor seinem Verschwinden besuchen wollte. Jon löste seinen Blick vom Bildschirm, um Rick anzusehen, der eben sein Sakko aufhängte. »Alles okay?«
»Morgen«, sagte Rick über die Schulter. Seine Stimme klang zurückhaltend.
Jon schaute zu, wie er sich setzte. Rick sah ihn über die Tische hinweg an, senkte dann aber den Blick auf das Papier auf seinem Tisch und griff danach.
»Ich habe die letzten Kunden, die Gordon Dean besuchen wollte«, sagte Jon.
Rick blickte auf, der angespannte Zug um seine Augen ließ nach. »Aha?«
»Am Tag seines Verschwinden sollte er am Vormittag einen Kunden besuchen und dann noch drei am Nachmittag, zwei in Manchester Zentrum und einen in Worsley.«
»Wollen wir mit den letzten anfangen?«
»Ich denke schon.« Jon druckte die Liste aus. »Wir könnten gleich in der NHS-Beratungsstelle in Worsley vorbeischauen.« Er sah auf die Uhr. »Nein, jetzt loszufahren wäre sinnlos – die M60 ist sicher ein Albtraum.«
Also verbrachten sie die nächste Dreiviertelstunde damit, Berichtsformulare auszufüllen. Auf einmal rief ihnen der Informationskoordinator vom anderen Ende der Einsatzzentrale zu: »Gerade ist die vorläufige Analyse des Fußabdrucks hereingekommen, der am neuesten Tatort gesichert wurde.«
Im ganzen Raum drehten sich die Köpfe.
»Es ist ein normaler Schuh, kein Sportschuh. Größe fünfundvierzig, linker Fuß. Besitzer wiegt wahrscheinlich über fünfundsiebzig Kilo. Das Sohlenprofil ist ziemlich markant und am inneren Rand vollständig abgelaufen, was darauf hinweist, dass der Träger stark einwärts geht. Also kann man davon ausgehen, dass er einen ungewöhnlichen Gang hat.«
In Jons Gedächtnis blitzte die Szene auf dem Krankenhausflur auf. Er hatte angenommen, Pete Grays stolzierender Gang käme von seinem Bierbauch. Jetzt fragte er sich, ob die Drehung seiner Hüften eventuell damit zu tun haben konnte, dass er bei jedem Schritt einen Fuß einwärts drehte.
Die Gesundheitsberatungsstelle in Worsley war hinter einer hübschen Grünanlage versteckt. Sie war Teil einer Gruppe verschiedener öffentlicher Gebäude, bestehend aus einem kleinen Schwimmbad, einer Turnhalle, einer Arztpraxis und der Beratungsstelle selbst. Der Empfang war mit wahllos aufgehängten Plakaten zugepflastert. Es gab professionell hergestellte, etwa zum Thema »Ohne Rauch geht’s auch«, und selbst gedruckte, die auf Diätgruppen, Unterstützung bei der Kinderbetreuung und Müttertreffs aufmerksam machten. Jon studierte interessiert einen ganzen Wust von handgeschriebenen Karten, die alles anboten, von Milchpumpen und gebrauchten Kinderwagen bis zu Babysittern und Heimtrainern.
Er hörte ein Gurren. Im Wartebereich saß eine junge Frau und ließ ein Baby auf ihren Knien hüpfen. Der Kopf des Kindes wackelte sanft vor und zurück, doch sein Blick ließ den seiner Mutter nicht los, und die beiden waren für den Rest der Welt verloren. Die Frau hielt das Baby hoch, und etwas an diesem Anblick rührte eine Saite in Jon an. Als er eben lächeln wollte, erbrach sich das Kleine auf das T-Shirt seiner Mutter.
»Guten Morgen.« Die rosawangige Rezeptionistin blickte sie durch die Glasscheibe aufmerksam an.
»Hallo«, sagte Jon, und er und Rick zückten ihre Dienstausweise. »Wer kann uns Auskunft geben über das medizinische Material, das hier bestellt wird?«
»Unser Herr hat mich mit dieser Aufgabe gestraft«, antwortete sie und schob einen Teller mit einem halb aufgegessenen Muffin zur Seite.
»Gehören dazu auch so Sachen wie OP-Handschuhe?«, fragte Rick.
»Ja.« Sie strahlte. »Ich habe erst vorgestern eine neue Lieferung entgegengenommen.«
»Von Protex?«
»Ja, genau«. Mit einem Mal sprach sie langsamer. »Von Protex.«
Rick zog Gordon Deans Foto heraus. »Haben Sie mit diesem Mann gesprochen?«
»Gordon.« Wieder setzte sie zu einem Lächeln an, unterdrückte es aber dann. »Was ist denn …« Ihre Stimme verebbte.
»Was für einen Eindruck hat er auf Sie gemacht?«, fragte Jon.
Ihr Blick wanderte zwischen ihm und Rick hin und her und entschied sich schließlich für Rick. »Freundlich wie immer. Er
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