Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Totenhaut

Titel: Totenhaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Simms
Vom Netzwerk:
genau zu der Zeit, in der die Massen der Kauflustigen nach Manchester strömten.
    Er wusste noch, wie er in seiner Uniform die Market Street entlanggelaufen war, mit einer Hand den Helm auf seinem Kopf festhaltend, mit der anderen wild fuchtelnd die Menschen vom Arndale-Centre wegscheuchend. Die Informationen waren spärlich, und er hatte keine Ahnung, wann die Bombe tatsächlich explodieren würde.
    Nur auf dem Rugbyfeld schwitzte er normalerweise so wie an jenem Tag.
    Innerhalb einer Stunde hatten sie das Gebiet rund um einen großen weißen Lieferwagen geräumt. Er war einer derjenigen, die die Massen von der Absperrung am anderen Ende der Market Street zurückdrängten, als das Ding losging. Es war das lauteste Geräusch, das er je gehört hatte, ein Brüllen, das die Luft mit solcher Gewalt erschütterte, dass er ins Taumeln geriet. Dann kam der Wasserfall aus Glas. Selbst in vierhundert Metern Entfernung regnete es noch Scherben auf ihn und die anderen herunter. Wie durch ein Wunder wurde niemand getötet, aber das Zentrum der Stadt war verwüstet.
    Er schaute wieder zu dem glänzenden Gebäude hinüber.
    Noch ein Beispiel dafür, wie die Stadt sich seit ihren Ursprüngen als erste Industriestadt der Welt entwickelt und an die neuen Verhältnisse angepasst hatte. Als er in sein großes, flaches Brötchen biss, sah er Rick etwas aus einer lächerlich kleinen Flasche trinken. »Was ist da drin?«
    »Bananen-Mango-Smoothie.«
    Jon schüttelte den Kopf und musste an die Inbrunst denken, mit der Alice Obst und Gemüse bester Qualität zu Brei zermantschte. »Sie sollten meine Holde kennenlernen.«
     
    Zur Rochdale Road, der nächsten Adresse auf ihrer Liste, war es nur eine kurze Fahrt. Sie parkten im Hinterhof des imposanten dunklen Gebäudes, neben einem nagelneuen Range Rover. »Menschenskind, in dem Geschäft kann man richtig Kohle machen«, bemerkte Jon.
    Sie gingen zurück zur Straße. Das Gehämmer von einer nahe gelegen Baustelle übertönte den Lärm des vorüberrauschenden Verkehrs. Rick deutete auf mehrere Kräne, die wie Wachtürme hinter Dächern aufragten. »Da drüben ziehen sie ja was ganz schön Großes hoch.«
    »Das ist Ancoats«, antwortete Jon. »Die bekommen von der EU riesige Summen für die Erneuerung. Endlich wird was für die Sanierung getan.«
    Rick sah auf ihrer Liste nach und dann auf das Messingschild neben der Tür. »Das ist es. The Beauty Centre, Dr. O’Connor.«
    Jon beäugte argwöhnisch den Stein, der die Tür umgab. Die Abgase hatten ihn fast gänzlich schwarz gefärbt. Rick musste zweimal klingeln, bevor eine Stimme aus der Sprechanlage erklang.
    »Wer ist da?« Ein schwacher irischer Akzent, die Stimme ungezwungen und freundlich.
    Jon war erstaunt. Verglichen mit der Hochglanzorganisation, aus der sie gerade kamen, konnte man das hier nur schwerlich als geschäftsfördernde Begrüßung bezeichnen.
    »DS Saville und DI Spicer, Polizei Manchester.«
    Klappern von Plastik, als der Hörer fallen gelassen wurde. »Verflucht! Entschuldigung, kommen Sie rauf.«
    Sie wechselten einen Blick, als die Tür aufklickte und ihnen Zutritt in eine sanft beleuchtete Eingangshalle gewährte. Die Luft roch ein wenig modrig. Jon sah hinunter auf den tiefroten Teppich zu seinen Füßen. Die Türen im Erdgeschoss waren alle zugemauert, und Jon vermutete, dass die Räume dahinter Büros der Firmen in den angrenzenden Gebäuden waren. Der einzige Weg nach oben war die Treppe, und als sie sie hochstiegen, verschluckte der schwere Teppich das Geräusch ihrer Schritte vollständig. In regelmäßigen Abständen hingen Fotos von Modellen mit einer kleinen Anmerkung darunter. Collagen. Restylan. Hylaform. Laserbehandlung der Hautoberfläche. Temporäre Faltenfüllung. Kaltlaser-Lifting.
    Jon nickte Rick wissend zu. »Ausschließlich nicht-chirurgische Eingriffe.«
    Am Ende der Treppe betraten sie einen kurzen Flur, von dem zwei Türen abgingen. Die eine mit der Aufschrift »Behandlungsraum« war geschlossen, die andere offen.
    »Bitte kommen Sie rein«, rief die Stimme, die sie schon durch die Sprechanlage gehört hatten.
    Sie betraten ein Büro, das aussah, als sollte es eigentlich einem Anwalt gehören. Ein riesiger Holzschreibtisch beherrschte den rückwärtigen Teil des Raumes, dahinter bogen sich Regalbretter unter der Last endloser Reihen von Büchern. Das Tageslicht, das es bis ins Zimmer geschafft hatte, schien unverzüglich von dem roten Teppich und der hölzernen Wandtäfelung absorbiert zu

Weitere Kostenlose Bücher