Totenhaut
um neun?«
Jon zog sich sein Sakko an. »Klingt gut. Und wo?«
»Fahren Sie mit dem Zug rein?«
Jon nickte.
»Dann treffen wir uns doch im Yate am Bahnhof Piccadilly.«
»Okay. Bis dann.«
16
J
on fuhr auf der A6 bis zum Krankenhaus Stepping Hill. Der Parkplatz war zu drei Vierteln leer, und er parkte rückwärts in einer dunklen Ecke, von wo er das Pförtnerhäuschen ungesehen beobachten konnte.
Alices Bild vor Augen, wie sie wieder einmal allein zu Hause saß, dachte er mit schlechtem Gewissen: Ich sollte eigentlich daheim sein. Es hatte zu regnen begonnen. Vereinzelte, lange, dünne Regentropfen platschten auf die Windschutzscheibe und verliefen zu diagonalen Linien winziger Tröpfchen. Eine Windbö peitschte ein Gestöber kleiner Nadeln aus einer anderen Richtung gegen das Glas und erzeugte eine Kreuzschraffur auf der Scheibe. Sekunden später wurde der Schauer heftiger, und das zarte Muster war für immer verloren.
Schlag acht trat Pete Gray aus der Tür. Über seiner Uniform trug er eine lederne Fliegerjacke nach amerikanischem Vorbild. Er steuerte direkt auf einen für das Personal reservierten Abschnitt des Parkplatzes zu und stieg in einen blassblauen Kleintransporter. Die Scheinwerfer leuchteten auf, und Gray verließ den Parkplatz Richtung Hauptstraße. Gebührenden Abstand haltend, beschattete Jon ihn zurück zur A6 und dann zu einem Reihenhaus in der Nähe des Bahnhofs Davenport.
Er parkte auf der gegenüberliegenden Straßenseite und schaltete die Lichter aus. Im Licht der Straßenlampen glitzerten die Tröpfchen auf seinen Scheiben. Er beobachtete, wie Pete Gray die Eingangstür aufschloss und das dunkle Haus betrat. Als Erstes ging das Licht in der Diele an, gleich darauf gefolgt von dem im Wohnzimmer. Gray lief in eine Ecke des Zimmers und beugte sich vor, um den Fernseher anzuschalten. Dann holte er von einem mit großen Büchern voll beladenen Regal die Fernbedienung. Im Stehen zappte er sich mit der einen Hand durch einige Kanäle, während die andere nach hinten zu seinem Gesäß wanderte, wo sie anfing, es langsam und genüsslich zu kratzen.
Das flackernde Licht ging schlagartig aus, er legte die Fernbedienung wieder auf das Regal, trat ans Fenster und zog den Vorhang zu.
Jons Blick richtete sich auf den blauen Transporter, der in der Einfahrt stand. Die Heckfenster waren ihm zugewandt, und in der Ecke des einen konnte er die Flagge der Konföderierten Staaten von Amerika ausmachen.
Auch auf dem anderen Fenster gab es zwei Aufkleber, doch die Schrift war zu klein, um lesbar zu sein.
Jon wartete, bis das Licht im oberen Stockwerk anging, dann stieg er aus dem Wagen und überquerte die Straße. Vom Ende der Einfahrt war die Schrift auf den Aufklebern deutlich zu lesen. Fickschlitten und Hämmern zwecklos, hier wird genagelt. Er bemühte sich hineinzusehen, doch die Fenster waren stark getönt. Perfekt, um Dinge zu befördern, von denen man nicht will, dass andere sie sehen, dachte Jon. Als er wieder im Wagen saß, schrieb er sich die Nummer von Grays Haus und das Kennzeichen des Transporters auf.
»Hallo, mein Schatz, ich bin’s.«
»Ich bin hier.« Alices Antwort schwebte ihm aus der Küche entgegen. Er schloss die Haustür hinter sich, den Blick auf den Flur geheftet. Eine Sekunde später tauchte Punchs Nase in der Tür zum Wohnzimmer auf. Jon ließ sich auf ein Knie nieder und schlug sich auf den Oberschenkel. »Komm her, du dummer Junge!«
Als ihr gewohntes Gerangel vorüber war, drückte Jon Punch einen dicken Kuss auf die Schnauze, dann erhob er sich und ging in die Küche. Alice stand mit dem Rücken zu ihm und bügelte eines seiner Hemden.
»Du kommst spät«, sagte sie, ihn über die Schulter hinweg anblickend.
»Ja, ich weiß. Tut mir leid. Es ist dieser Fall.« Er stellte sich hinter sie und schob ihr die Hand über den Bauch.
»Und wie geht’s euch beiden?«
»Uns geht’s gut.« Alice lächelte und griff mit einer Hand nach hinten, um ihm über die Wange zu streichen. »Hast du wieder deinen Hund geknutscht?«
»Nein«, erwiderte Jon schuldbewusst. Na gut, dachte er, dann bin ich halt ein Lügner.
»Also, irgendwie riechst du nach Hundemaul.«
Jon sah auf Punch hinunter. »Hast du dir die Zähne nicht geputzt?«
Der Hund schaute zu ihm auf, die Haut über seinen Augen in fragende Falten gelegt.
Alice fuhr wieder mit Bügeln fort. »Nein, im Ernst, Jon, du musst wirklich aufpassen, wie und wann du mit Punch rummachst, wenn das Baby erst da ist. Ich habe
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