Totenhaut
ziemlich eklektische Mischung, zu der unter anderem Miles Davis, Paul Weller, Radiohead und die Smiths gehörten.
Er suchte nach etwas Lebhafterem, doch vergeblich.
»Hast du nichts, zu dem man tanzen kann?«
»Wie zum Beispiel?«
Rick fuhr mit einem Finger über die CDs. »Keine Ahnung. Diana Ross, Kylie Minogue, Madonna?«
»Ach, du meinst Schwulenmusik?«, antwortete Jon mit unschuldigem Lächeln. »Ich glaube, Alice müsste irgendwo eine CD mit der Musik von Saturday Night Fever haben.«
Rick grinste und spreizte beim Einlegen der Videokassette zwei Finger in die Höhe.
Als Alice um sechs nach Hause kam, saßen die beiden noch immer da, schmutzige Tassen, Teller und die Überreste einer Packung Vollkornkekse auf dem Tisch. Punch lag neben einer Menge verstreuter Kassetten ausgestreckt auf dem Boden.
»Macht’s euch was aus, wenn ich ein bisschen Luft reinlasse, ihr Stinktiere?«, fragte Alice mit gerümpfter Nase. Rick sah zutiefst beschämt drein.
Jon drückte auf die Stopptaste und streckte seine Beine aus. »Was für ein Albtraum.«
Alice hob den Fensterriegel, und ruckartig ging auch Punchs Kopf in die Höhe, der die Veränderung des Geruchs durch die von außen hereinströmende Luft wahrgenommen hatte. »Was erreicht?«, erkundigte sie sich.
»Nicht die Bohne«, antwortete Jon und gähnte. Er warf einen Blick auf den Kassettenhaufen neben dem Videogerät. »Sieben Bahnsteige haben wir schon durch. Jetzt sind’s nur noch sechs. Wenn wir da nichts finden, fangen wir mit den Aufnahmen im Hauptteil des Bahnhofs an.«
»Noch Tee? Rick, möchten Sie zum Essen bleiben?«
Rick sah unsicher zu Jon hin, der noch immer mit Leichenbittermiene auf die vielen unberührten Videos starrte. »Ähm, danke, aber ich habe schon was anderes ausgemacht.«
»Kein Problem. Wie wär’s dann morgen, wenn ihr damit weitermacht.«
»Ja. danke, sehr gerne.«
»Gut«, sagte Alice und marschierte in die Küche. Rick wandte sich an Jon. »Immerhin lässt sich das Ganze schon eingrenzen. Wir haben nur noch die Bahnsteig acht bis dreizehn.«
Jon nickte. »Die Züge zum Flughafen Manchester fahren von Bahnsteig acht aufwärts ab.«
»Ja, aber es gibt ihn auf keiner Passagierliste von diesem Tag.«
»Und die Züge nach Liverpool und hinauf in den Lake District fahren normalerweise von Bahnsteig dreizehn ab.«
»Was mit deiner Theorie zusammenpassen würde, dass er sich irgendwo in schöner Landschaft vergraben hat.«
»Exakt«, sagte Jon. »Aber irgendwas stimmt da nicht.«
Das Bild von Pete Gray tauchte in seinem Kopf auf. Er arbeitete bestimmt noch Tagschicht und würde um acht Schluss machen.
Er überlegte gerade, ob er Rick von seinem Besuch im Krankenhaus Stepping Hill erzählen sollte, da fing dieser an, den Tisch abzuräumen.
»Lass gut sein«, meinte Jon, der das nur am Rande mitbekam. »Ich kümmere mich schon drum.«
Rick richtete sich auf. »Dann also morgen um die gleiche Zeit?«
»Morgen um die gleiche Zeit«, wiederholte Jon düster. Als Rick gegangen war, rief Jon über den Flur: »Alice, hab ich noch Zeit für eine schnelle Du-weißt-schon-was?«, fragte er. Er wusste, wenn er das Wort »Runde« ausspräche, würde Punch wie verrückt losspringen.
»Wie du willst«, gab Alice zurück. Die knappe Antwort löste einen kleinen Alarm in seinem Hinterkopf aus. Trotzdem steckte er den Kopf ins Wohnzimmer und fragte: »Lust auf eine Runde, Punch?«
Der Hund drückte den Rücken durch und war mit einem einzigen Sprung auf den Beinen. Jon stieg die Treppe hinauf. Die Unordnung auf dem Tisch hatte er schon vergessen.
Sie aßen schweigend. Den Stapel Teller und Tassen, die Alice vom Wohnzimmer in die Küche getragen und neben die Spüle gestellt hatte, sah Jon zwar, nahm ihn aber nur nebenbei wahr.
Er schlang sein Essen hinunter und wischte dann die Reste der Sauce mit einem großen Stück Weißbrot auf. »Und, was hältst du von Rick?«
»Nett«, antwortete Alice, doch ihre Stimme klang abwesend.
Jon hielt einen Augenblick beim Kauen inne und sah sie genauer an. »Nur nett? Das klingt aber nicht nach dir, Ali.«
Sie seufzte und rutschte ein wenig auf ihrem Sitz herum.
»Wie alt ist er?«
»Fast dreißig, glaube ich.«
»Dann kommt er aber gut voran.«
»Direkteinstieg in den gehobenen Dienst. Abgeschlossenes Studium und so. Das bei uns im Dezernat Kapitalverbrechen ist nur eine Zwischenstation. In ein paar Monaten wird er zur nächsten Einheit versetzt, und zwischendrin muss er Prüfungen
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