Totenhaut
entschieden. Am Anfang. Als sie es sich schließlich anders überlegte, war es zu spät für eine Epiduralanästhesie«, psalmodierte Marjorie.
Alice neigte den Kopf zu Jon. »Ich will jedes Schmerzmittel, das sie haben. Verstanden?«
»Bekommst du.«
»O Gott, o Gott, o Gott«, wiederholte die Frau auf dem Bildschirm immer wieder.
Jon sah, wie ihre Oberschenkelmuskeln sich anspannten.
»Herr im Himmel, das ist schlimmer als die Szene in Alien «, flüsterte er, woraufhin Alice sich an ihrem Tee verschluckte.
Auf der Mattscheibe fuhr ein Paar Hände aus und ergriff den oberen Teil des Köpfchens. »Okay, Karen, pressen. Genau so. Pressen!«
Nie im Leben passt der Kopf da durch, dachte Jon. Ein nervenzerfetzender schriller Schrei war zu hören, und plötzlich schoss der Babykopf heraus, rasch gefolgt von einem glänzenden blauen Körper, stellenweise überzogen von einer wachsartigen Substanz, und einem Schwall blutiger Flüssigkeit. Jon konnte nicht mehr hinsehen und schloss die Augen. Er hörte, wie die Gesundheitsberaterin erklärte: »Wie Sie sehen, blutet Karen ziemlich stark, weil der Damm gerissen ist. Aber das Krankenhauspersonal wartet, bis die Nachgeburt ausgestoßen wird, bevor sie sie mit ein paar Stichen versorgen.«
Jon dachte an die kalte Bierdose, die zu Hause auf dem Wohnzimmertisch stand. Ein paar Minuten später war der Film zu Ende, und er konnte die Augen wieder öffnen.
»So«, sagte Marjorie und zog die Vorhänge zurück, »Sie haben jetzt eines der unglaublichsten Dinge gesehen, die Mutter Natur zu bieten hat. Und bald werden Sie selbst Zeuge davon werden.«
Sie lächelte in eine Runde grauer Gesichter.
Jon ergriff Alices Hand und drückte sie beruhigend. »Ich werde für dich da sein, Ali«, flüsterte er ihr zu.
Sie sah zu ihm hoch und murmelte: »Aber es wäre vielleicht ganz gut, wenn du Gartenhandschuhe zur Entbindung anziehst.«
»Was meinst du damit?«
Sie schlug ihre Nägel in die weiche Haut auf dem Rücken seiner verletzten Hand. »Wenn das bei mir auch nur annähernd so grauenhaft ist wie in dem Film, dann habe ich die Absicht, dich in allen Einzelheiten daran teilhaben zu lassen.«
Jon versuchte, ihr die Hand zu entwinden. Doch mit dem süßesten ihr zu Gebote stehenden Lächeln hielt sie fest und bohrte noch ein wenig tiefer.
22
J
on knöpfte sich gerade vor dem Spiegel im Bad das Hemd zu, als es klingelte.
»Ali! Das wird Rick sein. Lässt du ihn bitte rein?«, rief er nach unten.
Er hörte, wie die Haustür aufging, dann sagte ein Mann mit ausländischem Akzent: »Billige Videos! Die letzten Kassenschlager aus Hollywood! Drei Pfund das Stück.«
Er spähte die Treppe hinunter und sah Rick mit einem Stapel Videokassetten im Arm auf der Eingangsstufe stehen.
»Sie müssen Rick sein.« Lächelnd trat Alice zurück, um ihn einzulassen.
»Hallo«, sagte er mit seiner normalen Stimme und verlagerte die Kassetten so, dass er ihr die Hand schütteln konnte. »Und Sie sind Alice?« Sein Blick streifte ihren Bauch. »Wann soll es so weit sein?«
Schamhaft legte Alice eine Hand über ihren Bauch. »So in sechs Wochen.«
»Sie sehen toll aus. Sie haben diese wunderschöne Farbe, die Sie mit keinem Make-up und keinem Solarium der Welt hinkriegen.«
Alices Lächeln wurde noch breiter, und sie sah zu Jon hoch. »Danke. Könnten Sie meinem Freund vielleicht ein paar Tipps geben, wie man Komplimente macht?«
»Ja, Kumpel, das kam wirklich gut«, sagte Jon, der wie ein Elefant auf der Flucht die Treppe heruntertrampelte.
Alice verdrehte die Augen. »So, ich muss meinen Zug erwischen. Viel Spaß mit den Kassenschlagern«, sagte sie zu Rick, ehe sie sich zu Jon umwandte und ihm einen Kuss gab. »Bis später.«
Die Tür fiel zu, und Jon führte Rick zum Wohnzimmer. Punch stand mit fragender Miene in der Tür. Rick zögerte.
»Das ist Punch, mein dusseliger Köter. Keine Angst, der ist kackweich.«
Rick ging weiter, und Jon sah, wie er dem Hund mit den Fingerspitzen flüchtig über den Rücken strich. Dann ging er ins Zimmer.
»Möchtest du Tee, bevor wir loslegen?«, fragte Jon.
»Ja, bitte«, antwortete Rick und betrachtete die Fotos von Jon, Alice und Punch, die sie auf den verschiedensten Ausflügen zeigten. »Und wer ist das?«, erkundigte sich Rick und zeigte auf ein jüngeres Mädchen mit Jons strahlend blauen Augen.
»Meine kleine Schwester Ellie«, antwortete Jon, der ihn von der Tür aus beobachtete.
Rick ging weiter und begutachtete die CD-Sammlung, eine
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