Totenheer (German Edition)
Respekt, wenn nicht sogar Furcht, entgege n zubringen. Von Larkyens und Wothars Anwesenheit nahmen sie keinerlei Notiz; jeder von ihnen verrichtete seine Arbeit an Deck zumeist schweigend. Bis auf die wenigen Befehle, die Gyland seinen Männern zubrüllte, wurde nicht gesprochen.
Die beiden Pferde waren in eine der wenigen kleinen Ka m mern unter Deck geführt und angekettet worden. Lediglich durch ein Holzgitter fiel etwas Licht von den Laternen zu ihnen ein. Den Tieren war unbehaglich zumute. Zu Anfangs hatte Alvan immer wieder versucht, sich unter Wiehern und Schna u ben aufzubäumen, und nur Larkyens Zureden hatte den ries i gen Kedanerhengst zumindest soweit beruhigen können, um die Reise zu See über sich ergehen zu lassen.
Das Schiff ließ die Küste von Kentar schnell hinter sich, und irgendwann war das Feuer des Leuchtturms nur noch als wi n zig kleines Licht zu erkennen, gleich einem Stern am Himmel.
Der Wind nahm beständig zu und entwickelte sich in kü r zester Zeit zu einem Orkan. Die Wellen wuchsen auf Turmh ö he an, das Schiff schaukelte in ihrem gnadenlosen Spiel auf und ab. Immer wieder trieben die Windböen neue Wellen g e gen den Rumpf, die Planken erbebten knarrend, die Gischt spritzte über das Deck.
„Ihr müsst nicht hier draußen bleiben, geht unter Deck“, schlug Gyland vor. „Wer so gut zahlt wie ihr, kann sogar me i ne Kajüte benu t zen. Brot und Wein gibt es genug, nehmt soviel ihr wollt.“
Wothar nickte Gyland dankend zu.
Die Holzwände in der fensterlosen Kajüte dämpften das G e räusch von Wind und Meer. Lediglich ein paar Kerzen sorgten für schwaches Licht und beschienen eine mit Metallbeschl ä gen versehene Eichenholztruhe, um die mehrere Eisenketten gelegt waren. Auf einem Tisch lag ein Leib angebrochenes Brot und eine Schale mit Trockenfleisch, daneben ein prall g e füllter Lederschlauch. Wothar begann sofort zu essen, er stop f te die Nahrung mit beiden Händen in seinen Mund. Gierig führte er den Schlauch an die Lippen und trank, als hätte er seit Tagen keine Mahlzeit zu sich genommen. „Ein guter Wein“, seufzte er zufrieden. „Ich glaube er stammt von den fruchtb a ren Hängen Tharlands. Es ist lange her, dass ich solchen Wein g e trunken habe. Du solltest auch davon kosten.“
„Ich verspüre keinen Bedarf danach.“
„Nicht einmal des Genusses wegen? Damals trank selbst T a rynaar zuweilen mit uns.“
„Tarynaar hatte seine eigenen Gründe, um mit euch zu tri n ken. Einer davon mag Höflichkeit gewesen sein, ein anderer lautet vielleicht ta t sächlich Genuss. Aber für mich ergibt es keinen Sinn, von euren köstlichsten Speisen, noch von euren besten Tränken zu kosten. Ihr Sterblichen müsst essen und trinken, um bei Kräften zu bleiben. Ich hingegen werde mich auf andere Weise nähren, wenn wir in Kaythan angekommen sind. Wie viel Genuss ich dabei empfinde, wird sich zeigen.“
„Solange du nicht vor hast, deinen Hunger an der Schiffsb e sa t zung zu stillen, soll es mir gleich sein.“
Wenngleich Larkyen sich danach sehnte, seinen Hunger nach Lebenskraft zu stillen, behielt er diesen Trieb unter Ko n trolle. Er wollte erst töten, wenn er angegriffen wurde, oder wenn j e mand seinen Weg kreuzte, der seiner Ansicht nach den Tod verdiente.
Nachdem sich Wothar an den Speisen gütlich getan hatte, sah er La r kyen lange Zeit an.
„Jetzt, da genug Entfernung zwischen uns und Kentar liegt, kann ich endlich offener mit dir sprechen.“
„Fehlte dir der Mut, vor den Gespenstern in aller Offenheit zu spr e chen, weil sie deines Königs Augen und Ohren sind? Ist es das, fürchtest du Wulfgar?“
„Nenne es Ehrfurcht.“
„Was immer du dir einredest, du hättest ihn längst verlassen kö n nen.“
„Ihr Unsterblichen versteht nichts von eines Menschen Treu e gelübde und von der Ehre eines Volkes!“
„Ich verstehe genug, vor allen Dingen aber verstehe ich e t was vom Krieg. Und wenn ihr Menschen nur das erlebt hättet, was ich erlebt habe; wenn ihr gesehen hättet was meine Augen sahen, dann wärt ihr nicht so leichtfertig bereit, einen neuen Krieg zu beginnen, sondern würdet euch am Frieden laben und alles mögliche tun, um diesen Frieden aufrechtzuerhalten. Ihr glaubt, ihr kennt und versteht die Welt, in der ihr lebt, doch ihr erfahrt nichts von den Ereignissen, die sich im Verborgenen zutragen, ebenso wenig von jenen Schlachten, die von Göttern geschlagen werden. Und wisse, wenn ein Unsterblicher zur Waffe greift, dann steht
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