Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenheer (German Edition)

Totenheer (German Edition)

Titel: Totenheer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Siebert
Vom Netzwerk:
zuvor die Disziplin und Abhärtung erfahr e ner Seefahrer verkörpert hatten, rannten wild durcheinander in die Mitte des Decks, und in ihren Gesichtern stand Furcht g e schrieben. Manche klammerten sich wie panisch an den Mast, andere deuteten mit zi t ternden Händen hinaus auf die See.
    Nur unter Androhung grausamster Bestrafungen gelang es Gyland, seine Mannschaft in Zaum zu halten.
    „Wovor fürchten sich diese Männer so?“ fragte Larkyen.
    „Das braucht euch nicht zu kümmern“, antwortete Gyland forsch. „Geht wieder unter Deck.“
    „Der Herr des grauen Meeres“, jammerte ein Seemann. „Er ist dort draußen, ich habe ihn selbst gesehen.“
    „Ammenmärchen“, knurrte Gyland. Mit schnellen Schritten stapfte er auf den Seemann zu, zog ein Schwert und enthaupt e te ihn mit einem präzisen Streich. Polternd sackte der leblose Leib auf die Planken, eine Blutlache breitete sich aus und ve r mischte sich mit Salzwasser. Der Schiffsherr baute sich mit e r hobener Waffe vor der Mannschaft auf.
    „Geht gefälligst eurer Arbeit nach, ihr feigen Hunde. Alle Mann z u rück auf ihre Posten, oder ihr werdet es bereuen!“
    Wothar trat näher an Larkyen heran und flüsterte: „Die Se e fahrer e r zählen sich hinter vorgehaltener Hand, dass irgendwo in den Tiefen des grauen Meeres ein riesiges Geschöpf lauert und seinen Hunger an den Schiffsbesatzungen stillt.“
    „Du also auch, Wothar?“ höhnte Gyland. „Du kommandie r test die Werwölfe Kentars, legtest Städte und Festungen in Schutt und Asche. Und jetzt fürchtest du dich vor einem Ung e heuer das noch nie jemand gesehen hat.“
    „Wir sollten vielleicht nicht alle Erzählungen über das graue Meer als bloße Märchen abtun. Das Wasser ist an manchen Stellen unsa g bar tief. Wer weiß, was dort auf dem Grund alles lauert.“
    Die Männer schrien erneut auf, als aus dem Dunkel ein la n ger Tentakel hervorschnellte, triefend vor Meerwasser, sti n kend nach Fisch und Moder. Seine Innenseite war mit handfl ä chengroßen Saugnäpfen übersät. Blitzartig schlang sich der Fangarm um einen Seemann, hob ihn über die Reling und en t führte ihn hinaus in die finstere See.
    Nicht einmal dem Schiffsherrn Gyland gelang es noch, die daraufhin ausbrechende Panik unter Kontrolle zu bringen. Se i ne Befehle und Drohgebärden brachen abrupt ab. Jetzt zeichn e te sich auch in Gylands vernarbten Gesichtszügen eine M i schung aus Furcht und schi e rem Unglauben ab.
    Backbord brachen die Wellen auseinander und offenbarten einen gewaltigen pfeilförmigen Leib, dessen Haut völlig glatt war und gräulich schimmerte. Mitten aus dieser Masse starrte ein milchig weißes Auge von der Größe eines Wagenrads. Zehn lange Tentakel schossen aus dem Wasser und durc h schnitten in unregelmäßigem Rhythmus die Luft. Drei Se e männer wurden gleichzeitig von den Fangarmen ergriffen und von Deck gerissen. Ihre Angstschreie e r starben durch den enormen Druck, der ihre Körper bearbeitete und ihre Knochen bersten ließ. Blutend und zur Regungslosigkeit ve r dammt, führten die Tentakel ihre Beute auf ein schnabelartiges Maul im Leib des Ungetüms zu, das die Männer begierig empfing.
    „Der Herr des grauen Meeres“, jammerten die Seemänner. „Der Herr des grauen Meeres ist gekommen, um uns alle zu holen!“
    Beinahe angsttrunken torkelte Gyland mit erhobenem Schwert auf das Ungetüm zu, doch ein Blick aus Larkyens Raubtieraugen genü g te, um den Schiffsherrn zur Besinnung zu bringen.
    Jetzt war es Larkyen, der dem Herrn des grauen Meeres en t gegentrat. Er fühlte den Blick des milchigen Auges auf sich r u hen, dann wurde auch er von einem Tentakel erfasst. Auf seine Taille begann ein Druck einzuwirken, der jeden Sterblichen einfach zermalmt hätte. Zahnbewehrte Saugnäpfe versuchten sich in seine Haut zu graben. Larkyens Leib jedoch war hart wie Granit. Er empfand keinerlei Furcht, viel eher war es eine Form von Begeisterung, über ein solches ihm bisher unbekan n tes Lebewesen. Während er beide Hände auf die glitschige Tentakeloberfläche legte, konnte er die konzentrierte Leben s kraft der Kreatur fühlen. Wieder einmal hätte er sich davon nähren können, doch er wollte, dass dieses Wesen weiterlebte.
    Der Herr des grauen Meeres bäumte sich auf und demons t rierte dem Unsterblichen seine wahre Größe. Der gräuliche Leib war fast so groß wie das Schiff, und Larkyen war sicher, dass jene Kreatur es mit Hilfe ihrer zehn Tentakel einfach unter die Wasseroberfläche hätte

Weitere Kostenlose Bücher