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Totenheer (German Edition)

Totenheer (German Edition)

Titel: Totenheer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Siebert
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ger, wä h rend sich seine rechte Hand auf den Griff seines Schwertes zu b e wegte.
    „Eure Leben“, zischte der Unsterbliche. Er hätte schweigen können, doch es befriedigte ihn ungemein, wenn er den Schr e cken in den Gesichtern von Männern sah, die einen solchen Schrecken unzählige Male über andere gebracht hatten.
    Von Gier erfüllt, griff er sein nächstes Opfer an. Er grub seine bloße Hand in dessen Bauch, fand durch warme Eing e weide und Blut hindurch, seine Finger schlossen sich um das schl a gende Herz. Er nahm sich ein weiteres Leben. Die Bestie, die tief in seinem Innersten zu Hause war, übernahm die Ko n trolle. Instinkt und Triebe regierten und paarten sich mit se i nem Zorn über die Intrige eines Sterblichen in Kentar. Larkyen wich Schwert- und Axthieben mühelos aus, zerfetzte Fleisch, brach Knochen, und das wurmstichige Holz von Boden und Wänden färbte sich rot. Die Bestie war hungrig, und sie fraß, niemand entkam, niemand überlebte.
     
    Seit Larkyen seinen Hunger gestillt hatte, hüllte sich Wothar in Schweigen. Zunehmend spürte der Unsterbliche die sorgenvo l len Blicke des Menschen auf sich ruhen; und diesmal erfüllte es ihn mit Zufriedenheit. Auch wenn Wothar noch ein Gewi s sen besaß, so sol l te der einstige Befehlshaber der Werwölfe auch daran erinnert werden, dass er nur weiterlebte, weil La r kyen bisher nicht das Gegenteil beschlossen hatte.
    Die schmachvolle Tat, eine Unsterbliche als Geisel zu ne h men, wü r de von Larkyen bestraft werden, und er erahnte, dass Wothars G e danken darum kreisten.
    Larkyen aber widmete sich in seinen Gedanken noch einmal Patryous. Durchlitt sie noch immer die Qualen andauernder Verwesung, mit denen er sie hatte zurücklassen müssen? Mö g licherweise weilte sie sogar schon in einer Welt, deren Tor alle Unsterblichen durchschritten, die eine schwerwiegende Verle t zung erlitten hatten. Jenseits von Leben und Tod, so nannten sie jenen unbegreiflichen Z u stand. Manche hielten es für einen Streich des eigenen Unterb e wusstseins, eine Scheinwelt, in der verlorene Geliebte und Freunde wohlauf und lebendig waren. Vielleicht sprach sie mit Tarynaar und all den anderen, die längst zu Staub geworden waren. So wundervoll eine solche Begegnung für alle, die sie durchlebten, auch sein konnte, so trügerisch war sie auch. Schwache Gemüter konnten ihren e i genen Gefühlen erliegen und den Wunsch verspüren, weiter in jenem Zustand zu verweilen. Liebe und Geborgenheit konnten zu einer Fa l le werden, aus der es kein Entkommen gab. Es gab Erzählungen über Unsterbliche, die aus Schein und Trug ni e mals wieder zurückgekehrt waren und somit den zweiten und endgültigen Tod gefunden hatten.
     
    Auf ihren Pferden ritten sie aus Kaythan heraus. Auf der Straße k a men ihnen die Kutschen vieler fahrender Händler entgegen, und mit ihnen passierten auch viele Krieger die Stadtpforte. J e nen, die sich nach schnellen Reichtum und Wohlstand sehnten, bot die Zivilisation viele Möglichkeiten. Manche würden ihre Gelegenheit bekommen und sie nutzen, andere hingegen wü r den nur allzu schnell den Gefa h ren des Kessels erliegen und als namenlose Leichen in einer dreck i gen Gasse enden.
    Es war Mittag, als Larkyen und Wothar eine Weggabelung erreic h ten, und sie bogen auf eine unebene Straße ab. Zwischen Bäumen und Farnen ragten künstlich errichtete Steinhügel in der Landschaft empor.
    „Kriegsgräber“, flüsterte Wothar. „Die Bolwaren bestatteten hier ihre gefallenen Soldaten. Ich nahm auch an der Schlacht teil, die hier einst tobte.“ Der Blick des Kentaren verweilte auf den Hügeln, so als erinnere er sich wieder einmal an den Krieg zurück. Vielleicht kon n te er das Klirren der Schwerter, die Schreie der Kämpfenden und Sterbenden hören, das Tosen der Schlacht, wie Larkyen es nannte. Manchmal hörte der Unster b liche jenes Tosen in den Momenten grausigster Erinnerungen, dann sah er die Gesichter seiner vielen Opfer, deren Leben er im Kampf oder während der Jagd genommen ha t te.
    Nach einer Biegung ritten sie durch eine Siedlung. Die Hä u ser waren klein und bestanden aus Holz und Steinen, die D ä cher waren spärlich mit Stroh und Laub gedeckt. Ganz hinten in der Siedlung befand sich eine Windmühle. Eine Wand war halb eingestürzt, auch die Windr ä der waren reparaturbedürftig. Auf einer Weide, die von einer losen Mauer umrandet wurde, gr a sten drei Kühe und zwei Schweine.
    Keiner der Einwohner zeigte sich auf der Straße,

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