Totenheer (German Edition)
das Beste aus ihrem Leben zu machen, wollte der U n sterbliche keine U n terstützung bieten. Die Natur würde sich in ihrer Gnadenlosigkeit früher oder später auch diesem Bettler annehmen.
Larkyen sah sich weiter zwischen den Menschen um. In einer großen Stadt wie dieser, war es leicht, die Piraten und Diebe, Mörder und Banditen unter ihnen zu erkennen. Sie trugen ihre Bandenabzeichen offen zur Schau, prahlten inmitten der Me n ge von ihren Untaten. Manche von ihnen trugen noch Flecken fremden Blutes auf ihren Kleidern und an den Klingen ihrer Waffen.
„Es ist Zeit, dass auch ich mich nähre“, sagte Larkyen.
„Dann solltest du es in einer der Seitenstraßen hinter dich bri n gen.“
„Kennst du das gefährlichste Viertel in der Stadt?“
„Ja, die Kaythaner nennen es den Kessel. Die Gegend liegt in der Oststadt und wird von der Festung und den alten Stad t mauern umschlossen. Gewöhnliche Beute trifft wohl nicht de i nen Geschmack?“
„Jene, die zum Vergnügen andere töteten, werden von mir aus Hu n ger getötet.“
„Die Gerechtigkeit eines Gottes. Mir scheint, die Schurken schme c ken dir einfach besser.“
Es dauerte nicht lange, und sie liefen durch eine Gasse in der Oststadt. Zur einen Seite hin erhob sich eine hohe Mauer, zur anderen mehrere dicht beieinander stehende Häuser. Alle w a ren in schlechtem Zustand, die Fensterläden zumeist geschlo s sen oder verrammelt. Huren mit blass geschminkten Gesichtern warteten in kleinen Gruppen vor den Freudenhäusern und b o ten mit aufreizenden Gesten ihre Vorzüge dar. Die Gosse war überfüllt mit allerlei Unrat, und es stank nach Fäulnis und Krankheit. Mitten auf dem Weg lag eine von Maden zerfress e ne Männerleiche, die Brust mit Stichwunden übersät. Niemand störte sich daran, niemand stellte irgendwelche Fragen. Ein L e ben war in diesem Viertel nicht viel wert.
„Da drüben wirst du die meisten Schurken finden“, erklärte Wothar und deutete auf den Kellereingang eines Hauses. „Das ist Weylands Schenke, und es heißt, in einer Nacht geschehen dort bis zu drei Morde. Nur hartgesottene Glücksspieler und P i raten wagen sich überhaupt dort hinein.“
„Das ist der richtige Ort“, sagte Larkyen, „du wartest besser draußen auf mich.“
Der Unsterbliche trat durch die Tür, der hereinfallende Schein von Tageslicht durchdrang ein schummriges Halbdu n kel. Die Räumlichkeit, die sich vor ihm auftat, war nicht groß. Acht besetzte Tische und ein langer Tresen, hinter dem ein bä r tiger Mann Wein ausschenkte. Die Luft war wie ein trüber, von Pfeifenrauch geschwä n gerter Dunst.
Larkyen sah sich aufmerksam um. Bei den Gästen handelte es sich ausschließlich um Männer, und alle waren sie bewaf f net. Einige trugen die markanten Tätowierungen von Banden auf ihrer Haut offen zur Schau. Sie grölten und lachten, zwei maßen sich an einem Tisch im Armdrücken, vier andere warfen Messer auf eine Zielscheibe an der Wand.
Die Gäste widmeten Larkyen einen kleinen Augenblick i h rer Aufmerksamkeit, doch sobald er die Tür hinter sich g e schlossen hatte, beachteten sie ihn nicht weiter. Sie wogen sich in Sicherheit, hier in dieser abgelegenen Schenke inmitten e i nes Stadtteils, den aufrechte Gemüter Zeit ihres Lebens mi e den.
Larkyens Hunger war groß. Er packte den Mann, der ihm am näc h sten stand mit beiden Händen am Hals und hob ihn hoch über den Boden. Der Unsterbliche sog die Lebenskraft seines Opfers auf, in heißen Wogen drang sie durch seine Fi n gerspi t zen, erfüllte seinen Leib und schenkte ihm neue Stärke. Wahrlich, er genoss dieses G e fühl. Längst war sein Opfer nicht mehr als eine schlaffe Masse lebl o sen Fleisches. Larkyen ließ den Mann herabsinken.
Beinahe alle Gäste in der Schenke hatten die Tat des U n sterbl i chen mit angesehen.
Larkyen verharrte in der Bewegung, deutlich zeichneten sich seine Muskeln unter dem Stoff seines Mantels ab.
„He, Mann“, rief der Hausherr hinter dem Tresen Larkyen zu. „Falls du mit dem Kerl zu deinen Füßen etwas zu klären hattest, so ist es geklärt. Wir haben nichts gesehen, und es geht uns auch nichts an. Also geh fort und komm nicht wieder.“
Mit einem süffisanten Grinsen im Gesicht stieg Larkyen über den Toten hinweg. Er warf die Kapuze seines Mantels z u rück; seine Raubtieraugen schimmerten im Halbdunkel, mu s terten die Männer mit eisigem Blick.
„Was willst du von uns?“ blaffte ein kräftig gebauter Kri e
Weitere Kostenlose Bücher