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Totenklage

Titel: Totenklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Sandford
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Hand an seinem verletzten Bein entlang, tastete nach der Wunde und bekam eine feuchte, rot beschmierte Hand. Kein Verbandskasten. Trotzdem musste er etwas gegen die Blutung tun, und zwar bald.
    Wenn er es bis auf den Hügel hinauf schaffte, könnte er telefonieren, sich hinkauern und abwarten. Wenn sie ihn dort kriegen wollten, würden sie dafür bezahlen müssen.
    Er drückte sich mit Hilfe von Armen und Beinen aus der Mulde hoch, stöhnte dabei fast auf vor Schmerz und begann, sich so leise er konnte auf die Westseite der Hügelkette südlich der Hütte zuzubewegen.
     
    Jake hörte ihn, konnte ihn aber zunächst nicht sehen. Der Mann war vermutlich nicht mehr als hundert Meter von ihm entfernt, doch der Wald war so dicht, dass er nur ein paar Meter hineinsehen konnte. Was auch sein Gutes hatte; so konnte der andere sich nicht lautlos bewegen.
    Also verfolgte Jake seine Bewegungen anhand der Geräusche, die er verursachte, doch nach zwei bis drei Minuten stellte er fest, dass der andere offenbar nicht näher kam. Stattdessen schien er sich auf ein oben angrenzendes Sojabohnenfeld zuzubewegen, obwohl das fünf- bis sechshundert Meter weiter südwestlich lag, nicht weit von der Stelle, an der Jake während der Truthahnjagd Posten bezogen hatte. Er entfernte sich also von dem Wandererparkplatz, von der Richtung, aus der er gekommen war.
    Warum sollte er dorthin gehen?
    Das Walkie-Talkie vibrierte in seiner Tasche. Er zog es heraus und antwortete mit einem einzelnen Piepston. »Der erste
ist tot. Und dort, wo der zweite hingesprungen ist, ist Blut auf der Erde.«
    »Okay«, flüsterte Jake und fügte so leise wie möglich hinzu: »Bist du draußen? Geh wieder rein.«
    »Hier ist alles ruhig. Ich bin bloß rausgegangen, um nachzusehen. Der, der weggelaufen ist, ist verletzt.«
    »Geh wieder rein. Ich häng mich an ihn ran, er ist ein ganzes Stück südlich von dir.«
     
    Und entfernt sich immer weiter nach Süden, folgerte Jake eine Minute später. Dann: der Hügelkamm. Der andere suchte nach einer Stelle, von wo aus er mit dem Handy telefonieren konnte.
    Er musste los. Er kroch aus dem behelfsmäßigen Versteck, riskierte es, am Rande des Futterplatzes über das Gras zu laufen. Dort war er zwar ungeschützt, doch zu weit entfernt, als dass der andere ihn sehen konnte, glaubte er zumindest. Dennoch sträubten sich ihm die Nackenhaare, und irgendetwas in seinem Gehirn warnte ihn, nur ja in Deckung zu gehen.
    Hinter den ersten Bäumen blieb er stehen und lauschte, hörte ein ganz leises Geräusch, das sich immer noch nach oben bewegte. Fand eine Wildspur, zerdrückte Blätter und etwas dünneres Buschwerk, wo Tiere über den Hang gelaufen waren. Kam an einem Baum vorbei, an dem ein Hirsch sein Geweih gerieben hatte, und versuchte, ihn sich zu merken. Bewegte sich ganz langsam, war auf der Pirsch.
    Blieb alle zwei Meter stehen. Lauschte. Wenn er nichts hörte, rührte er sich nicht. Wenn er eine Bewegung hörte, ging er weiter. Nach fünf Minuten sah er, wie sich ein Ast an einem Baum regte, ein leichtes Zittern in den jungen, hellgrünen Blättern, wie von einem Eichhörnchen, aber zu tief. Sechzig Meter vor ihm, auf zwei Dritteln des Weges zur Spitze des Hügels.
    Aus Erfahrung wusste er, dass der andere fast ganz hinauf
gehen musste, bevor das Handy funktionierte. Jake wartete, bis er ein weiteres Zittern in den Blättern bemerkte, dann ging er seitwärts den Hügel hinauf, bis er einen Einschnitt zwischen den Bäumen fand. Kein Pfad, keine Rinne, sondern nur eine Lücke zwischen den Bäumen, das Ergebnis willkürlicher Aussaat...
    Aber das gab ihm eine Schussbahn.
    Er ließ sich nieder, richtete das Zielfernrohr auf die Stelle, an der er zuletzt eine Bewegung wahrgenommen hatte, und beobachtete die Umgebung.
    Eine Minute später sah er die erste heftigere Bewegung. Er beobachtete und beobachtete … grün, braun, schwarz: Tarnkleidung.
    Er richtete das Zielfernrohr darauf und drückte ab.
     
    Goodman hörte ihn kommen. Konnte ihn zwar nicht sehen, glaubte aber, dass es die Schritte eines Mannes waren – der Himmel war zu hell, und das Geräusch war nicht laut genug, um von einem großen Tier zu stammen. Jemand pirschte sich an ihn heran. Er konnte nicht die genaue Richtung bestimmen, aber derjenige kam allein. Hatte er sich getäuscht, als er glaubte, dass abgesehen von der Person in der Hütte, wer auch immer das war, noch ein weiterer Mann im Wald wäre?
    Er spürte, dass er immer noch Blut verlor, immer

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