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Totenklage

Titel: Totenklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Sandford
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Hinterhalt lag, schnarchte man nicht. Man wachte in Intervallen von fünfzehn bis zwanzig Minuten auf und bei jedem nicht natürlichen Geräusch.
    Das tat er eine Stunde lang, dann eine zweite und schließlich eine dritte, und der Minutenzeiger seiner Uhr schien in dem Rhythmus, in dem er aufwachte und wieder einschlief, um das Zifferblatt zu springen. Um vier Uhr hatte er genug geschlafen. Er hatte mehrere kleine Tiere im Dunkeln gehört – vermutlich Skunks, Opossums oder Waschbären -, aber nichts Größeres. Hinter der Hütte war nichts aufgeblitzt.
    Um halb sechs hörte er oberhalb von sich aus südlicher Richtung eine Bewegung. Er lauschte angestrengt, drehte den Kopf in die Richtung und hielt nach einem Licht Ausschau. In den Wäldern von Virginia war es schwierig, sich im Dunkeln zu
bewegen. Selbst eine rote LED-Lampe würde ein wenig helfen und wäre, wenn man sie abschirmte und auf den Boden richtete, normalerweise nicht zu sehen. Aber da er sich unterhalb von ihnen befand, könnte er vielleicht etwas aufblitzen sehen …
    Er sah nichts. Die Bewegung stoppte. Er lauschte leise atmend und mit zuckenden Nasenlöchern in dem atavistischen Bemühen, eine Witterung aufzunehmen. Unter ihm beleuchteten das Licht auf der Veranda der Hütte und die Lampe neben der Scheune den Bereich vor dem Haus. Im Innern des Hauses brannten zwei Lampen, aber es war kein Geräusch zu hören. Jake hatte Madison gesagt, sie solle den Fernseher erst um sechs Uhr einschalten, nachdem sie zuvor das Licht im Schlafzimmer auf der ersten Etage, dann im Bad und schließlich in der Küche angemacht hatte.
    Nach zwanzig Minuten Stille fragte er sich allmählich, ob er tatsächlich eine Bewegung gehört hatte oder ob es nicht vielleicht nur ein Reh gewesen war, das weggelaufen war. Aber so ging es ihm immer bei der Jagd. Man hörte ein Geräusch, zweifelte daran, dann hörte man es wieder und konnte ausmachen, wohin es sich bewegte, in welchem Winkel, mit welcher Geschwindigkeit, und welche Schussmöglichkeiten man haben würde.
    Die Sonne würde erst in einer halben Stunde aufgehen. Wenn Jake an ihrer Stelle wäre, hätte er Schussposition bezogen, bevor sich in der Hütte irgendetwas regte. Wenn sie jetzt dort oben waren, würden sie die Hütte beobachten und letzte Pläne schmieden. In wenigen Minuten würden sie den Hang hinunterlaufen, vermutlich einige Meter voneinander entfernt. Er nahm an, dass sie gemeinsam vorrücken würden, statt sich zu trennen und sich von zwei Seiten zu nähern.
    Eine Minute vor sechs hörte er wieder eine Bewegung, gleichzeitig vibrierte das Walkie-Talkie einmal kurz. Madison war aufgestanden. Im oberen Schlafzimmer ging das Licht an, dann
im Badezimmer. Die Bewegung stoppte, als das erste Licht anging; sie setzte wieder ein, als das zweite Licht anging.
    Sie waren also da. Ein Reh hätte nicht in der Bewegung verharrt. Und wer auch immer sie waren, sie machten es richtig, bewegten sich kaum wahrnehmbar langsam und setzten jeden Fuß sorgfältig auf. Doch es war unmöglich, sich ohne jedes Geräusch durch den Wald zu bewegen. Wenn es windig gewesen wäre, hätte Jake die Schritte nicht heraushören können, doch da war kein Wind. Sie gingen sehr besonnen vor, dachte er. Das musste er einkalkulieren.
    Gegen Viertel nach sechs wurde es allmählich hell, zumindest hell genug, um zu schießen. Er hatte gehört, wie das Geräusch im Süden ihn passiert hatte und sich nun unterhalb von ihm weiter den Hügel hinunterbewegte. Einen Augenblick später schaltete Madison das Licht in der Küche an, dann den Fernseher. Er piepste sie viermal auf dem Walkie-Talkie an, worauf sie an dem halb geöffneten Rollo am Küchenfenster vorbeiging, gerade so schnell, dass er ihr Hemd kurz wahrnehmen konnte.
    Wenn die Männer unter ihm die Hütte beobachteten, müssten sie das eigentlich auch gesehen haben. Und sie sollten sich nun ganz auf die Idee konzentrieren, dass das Opfer im Haus war …
    Sich an einer bestimmten Idee festzubeißen war tödlich.
    Fünf Minuten später sah er sie zum ersten Mal. Einen Augenblick lang glaubte er, es wäre nur einer, ein Mann in militärischer Tarnkleidung und mit einer Kopfbedeckung, der eine kurze schwarze Waffe in der Hand hielt. Die Waffe hatte eine riesige Mündung, fast so groß wie ein alter Silberdollar. Es handelte sich um eine Waffe mit Schalldämpfer für Spezialeinheiten, die man von Israel gekauft hatte.
    Dann sah er zehn Meter entfernt eine weitere Bewegung, ein zweiter Mann. Die

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