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Totenklage

Titel: Totenklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Sandford
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schwächer wurde. Er musste etwas unternehmen.
    Er ging ganz langsam, nahm die Waffe von der Schulter, spannte den Hahn und stellte den Hebel auf Vollautomatik. Ein paar Schritte neben ihm lag ein abgebrochener Ast. Er bewegte sich vorsichtig dorthin, nahm seine Sturmmaske ab, stülpte sie über die Spitze des Asts und schob ihn langsam von sich weg. Bevor er weiterging, fasste er in die feuchte Erde und rieb sie sich ins Gesicht, damit es nicht hell schimmerte. Dann ging er zehn Schritte, den Ast mit der Sturmmaske immer
vor sich hertragend, dann wieder zehn Schritte und noch mal zehn Schritte, immer höher und höher. Wahrscheinlich war er bereits hoch genug, um zu telefonieren, doch er konnte jetzt nicht riskieren, das Handy wieder einzuschalten. Wenn es klingelte, war er tot.
    Er ging ein viertes Mal los, den Ast wieder vor sich hertragend. Ein plötzliches Krachen , eine Kugel traf die Maske; der Schuss war nur dreißig bis vierzig Meter rechts von ihm aus den Bäumen gekommen. Er riss seine Waffe herum, drückte den Abzug und ließ dreißig Neunmillimeterkugeln gegen die Bäume prasseln. Blätter, Ranken, Rinde, Zweige und Dreck wurden in Fetzen durch die Gegend gewirbelt.
    Er riss das Magazin heraus und schob ein neues rein, während er aus seiner Schussposition wegrollte. Eine weitere Kugel schlug hinter ihm in den Boden. Verdammt, er hatte nicht getroffen. Er feuerte drei kurze Salven und ließ sich diesmal den Hang hinunterrutschen, mal krabbelnd, mal ein Stück fallend oder sich um die eigene Achse drehend, immer bemüht, so gut es ging die Kontrolle zu wahren, während er seine Waffe die ganze Zeit den Hügel hinauf gerichtet hielt. Als er eine flüchtige Bewegung sah, feuerte er eine weitere Salve, dann kroch er bis zu der Stelle zurück, wo er den Aufstieg begonnen hatte.
    Er war am Arsch, dachte er. Sie hatten ihn.
    Eine letzte Chance … Er feuerte die restlichen Kugeln in einer einzigen Salve in die Bäume, wo er seinen Verfolger gesehen hatte, schob sein letztes Magazin in die Waffe und preschte zwischen den Bäumen hervor. Er war stark geschwächt, ihm war schwarz vor Augen, doch er musste nur die dreißig Meter bis in den Schutz der Veranda schaffen.
    Wenn er die Tür eintrat, stünde er vielleicht direkt vor dem Mann da drinnen, vielleicht würde der nach der Schießerei auf dem Hügel dermaßen überrascht sein, dass er darauf gar nicht vorbereitet war. Wenn er in die Hütte gelangen könnte, wenn
er sich nur kurz vor seinem Verfolger in Sicherheit bringen könnte, wenn er sich verbarrikadieren könnte, wenn er etwas für sein Bein tun könnte und wenn drinnen ein Telefonanschluss wäre, der funktionierte …
    Wenn …
    Er lief los.
     
    Die erste Salve traf Jake zwar nicht, zwang ihn aber, sich auf den Boden zu werfen. Die Kugeln zerfetzten zwei Meter entfernt etwas oberhalb von ihm die Landschaft, bewegten sich dann in seine Richtung und ließen Zweige auf ihn herabregnen, während er, das Gesicht am Boden, eine Patrone in sein Gewehr schob.
    Hinter ihm schlug eine weitere Salve ein, das Schussgeräusch nicht laut, eher ein Geschnatter. Die Waffe hatte einen Schalldämpfer; sie hatte ausgesehen wie eine dieser israelischen Kommandowaffen, die dazu dienten, Terroristen lautlos zu töten …
    Wieder zwei Salven, dann bemerkte er, dass der Mann sich bewegte, gab einen Schuss in die Richtung ab und erntete dafür erneut eine Salve, lud eine neue Patrone, lag flach auf der Erde und lauschte, stellte fest, dass die Bewegung jetzt schneller war und weiter entfernt. Er hob den Kopf genau in dem Moment, als eine weitere Salve einschlug, überlegte: Er geht in Richtung Hütte , nahm das Walkie-Talkie und rief: »Ich glaube, er kommt direkt auf dich zu. Er kommt direkt auf dich zu …«
    Nun war Jake auf den Beinen, lauschte eine Sekunde lang, hörte weiter unten immer noch das Knacken von Zweigen und lief los. Blut auf dem Boden, der andere war verletzt. Er musste ziemlich verzweifelt sein, wenn er zur Hütte ging. Um schie ßen zu können, musste Jake weit genug aus dem Wald heraus sein; er hatte nur einen einzigen Schuss, und wenn der Mann noch laufen konnte, würde es ganz schön mühsam werden …

    Mit den vielen Bäumen vor sich wäre es zwar möglich, den Gegner zu sehen, aber es wäre unmöglich, einen ordentlichen Schuss zu landen. Er würde ihn immer nur kurz zwischen den Bäumen sehen, und wenn er das Gewehr auf das Ziel richtete, wäre die Chance, einen Baum zu treffen, genauso groß wie

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