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Totenklage

Totenklage

Titel: Totenklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Bingham
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der Tasche. Ein Messingschlüssel, der im spärlichen Sonnenlicht glitzert. » Sie sollten wissen, dass ich nichts mit der ganzen Sache zu tun habe. Ich habe Geld genommen, von dem ich besser die Finger gelassen hätte, und ein paar Sachen verschwiegen, die ich eigentlich hätte melden sollen. Ich hab Scheiße gebaut. Aber nicht so sehr wie der da.« Bei den Worten der da – will sagen: Huw Fletcher – schießt sein Zeigefinger vor. » So ein Idiot bin ich nicht. Und auch nicht so ein Arschloch.«
    Ich greife nach dem Schlüssel.
    Er zieht ihn wieder weg, wischt mit einem Taschentuch alle Fingerabdrücke und Schweißspuren ab und hält ihn mir hin. Ich nehme ihn entgegen.
    » Es wird langsam Zeit herauszufinden, was für ein Idiot Sie nicht sind.«
    Penry nickt. Überraschenderweise steigt er nicht in den Toyota Yaris, sondern bleibt stehen und grinst halbherzig auf mich herab.
    » Wollen Sie allein da reingehen?«
    » Vorerst ja. Oder sehen Sie hier sonst noch jemanden?«
    » Wissen Sie, als ich noch ein Grünschnabel war, ein junger Polizeibeamter, da hätte ich dasselbe getan.«
    Da stimme ich ihm zu. » Von jungen Polizeibeamten wird erwartet, dass sie auf unvorhergesehene Situationen mit Eigeninitiative reagieren.« Ich weiß nicht, warum ich Penry jetzt Vorträge über korrekte Polizeiarbeit halte. Vielleicht, weil es so seltsam ist, mit ihm zu reden, wo er mir doch bei unserer letzten Begegnung fast den Kopf abgeschlagen hätte. Bei der Erinnerung daran trete ich einen Schritt zurück.
    » Sie sind wie ich. Wissen Sie das? Sie sind wie ich, und Sie werden auch da landen, wo ich gelandet bin.«
    » Vielleicht.«
    » Nicht vielleicht. Ganz bestimmt.«
    » Können Sie überhaupt Klavier spielen?«
    » Nein. Nicht einen beschissenen Ton. Aber ich wollte immer gerne, und jetzt habe ich ein funkelnagelneues Klavier zu Hause und rühre es nicht an.«
    » In dieser Beziehung sind Sie wie ich.« Ich nicke. » Genau wie ich.«
    Sein kaum merkliches Grinsen verwandelt sich in ein Dreiviertellächeln, das etwa eine Dreiviertelsekunde anhält und dann verschwindet. Er salutiert ansatzweise, steigt in den Toyota Yaris und fährt davon. Langsam, wegen der verkehrsberuhigenden Rüttelschwellen.
    Die Straße ist ruhig und verlassen. Das Sonnenlicht hat den leeren Asphalt wie eine feindliche Armee besetzt. Hier sind nur ich, das Haus und der Schlüssel. Meine Pistole liegt im Auto, doch da bleibt sie auch liegen. Was auch immer da im Haus auf mich wartet, wird mir nicht gefährlich werden. Zumindest hoffe ich das.
    Ich gehe zur Tür, stecke den Schlüssel ins Schloss und drehe ihn um.
    Zu meinem Erstaunen öffnet sich das Schloss. Wie wenn man eine Seite in einem Märchenbuch umblättert und rausfindet, dass sich die Geschichte wiederholt. Aber irgendwann ist auch dieses Märchen zu Ende.
    Das Haus ist … nur ein Haus. Wahrscheinlich sehen die anderen zwanzig Häuser in dieser Straße genauso aus. Keine Leiche. Keine ausgemergelten, vermissten, an Heizungsrohre geketteten Logistikmanager. Keine Waffen. Keine Drogen. Keine sich Heroin spritzenden Prostituierten oder kleine Mädchen mit halbem Kopf.
    Ich schleiche durchs Haus. Die aufgestaute Stille beunruhigt mich. Ich ziehe die Jacke aus und wickle sie um meine Hand, bevor ich Türgriffe berühre oder Gegenstände verschiebe.
    Ich bin nicht gerne hier. Brian Penry hat recht. Ich bin eher wie er als beispielsweise wie David Brydon. Ich wünschte, es wäre anders, aber es ist leider so.
    Im Schlafzimmer steht ein Doppelbett mit ordentlich gefalteten weißen Laken und einer violetten Tagesdecke.
    Im Badezimmer steht nur eine Zahnbürste. Die Toilettenartikel sind ausschließlich Männerprodukte.
    Im Wohnzimmer schwirren drei fette Fliegen summend um das Fenster. Ein Dutzend ihrer Kameraden liegt tot auf dem Fensterbrett.
    Ich öffne alle Schränke und Schubladen in der Küche. Dort, wo man üblicherweise Geschirrtücher und Platzdeckchen aufbewahrt, liegt Geld. Fünfzigpfundnoten in dicken, mit Gummiband zusammengehaltenen Rollen.
    Im Schrank darunter liegen Müllbeutel, Frischhaltefolie und noch mehr Geldscheine, die in mehreren Reihen gestapelt sind. Eine kleine Papierwand aus Banknoten. Ich blättere mit einem von meiner Jacke bedeckten Finger durch einen Stapel. Es sind ausschließlich Fünfzigpfundnoten.
    Jetzt bin ich gar nicht mehr gerne hier. Und Brian Penry kann ich auch nicht leiden. Ich will lieber wieder zu Plan A zurück: dafür zu trainieren, Dave Brydons Freundin

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