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Totenklage

Totenklage

Titel: Totenklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Bingham
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klar. Sie gefällt mir sogar. Ist ja auch langweilig, wenn die Leute immer nur einen Zustand haben. Rattigan ist wie Schrödingers Katze. Schrödingers Millionär. Brendan Rattigan und seine Armee der Untoten.
    » Ich krieg dich, Freundchen«, sage ich.
    Er lächelt mich höhnisch an, doch das wird mich nicht aufhalten.

29
    Aus der Nähe betrachtet ist Newport ziemlich hässlich, aber diese Hässlichkeit hat auch einen Grund: Newport ist eine Industriestadt. Hier werden Sachen hergestellt und in alle Welt verschickt. Hier gibt es Möwen und Ladekräne. Hochspannungsleitungen, Kreisverkehre, Lagerhäuser, Lastwagen. Stahl und Meerwasser.
    Rattigans Büros sind in einem billigen Gebäude am Stadtrand unterhalb des Usk Way an der Westseite des Flusses untergebracht. Das Gras um den Parkplatz herum ist so kurz gemäht, dass es inzwischen braun und verbrannt ist. Die Sonne spiegelt sich in den Windschutzscheiben der parkenden Autos und blendet mich. An die gegenüberliegende Straßenseite grenzt Brachland, das mit Sumpfgestrüpp bewachsen ist. Daneben steht ein Schild: Grundstück zu verkaufen.
    Rattigans Bürogebäude hat Wände aus Wellblech und ist in einem Farbton irgendwo zwischen Grau und Blau gestrichen. Auf einem Schild steht der Firmenname. Sonst nichts. Ganz schnörkellos. Hierfür hat Rattigan seine Millionen jedenfalls nicht ausgegeben. Vom Empfangsschalter werde ich direkt in ein Konferenzzimmer geführt. Tee? Kaffee? Mineralwasser? Cola? Eine junge Frau mit dem Gesichtsausdruck eines Kälbchens fragt mich das, als ob die Bereitstellung von Flüssigkeiten den Zorn des CID dämpfen könnte. Ich lehne ab, was sie verunsichert. Es dauert nicht lange, bis Andy Watson in Begleitung zweier männlicher Kollegen und einer Sekretärin auftaucht. Sie sind alle sehr nervös. Die Männer schieben mir Visitenkarten hin, aber die interessieren mich nicht.
    Ich setze eine ernste Miene auf, markiere den mit allen Wassern gewaschenen Profi, und schon sprudeln die Informationen wie der Prosecco beim Junggesellinnenabschied.
    Huw Fletcher wurde zuletzt am 21. Mai 2010 gesehen, als er einen vollen Arbeitstag im Büro verbrachte.
    Am 24. ist er nicht zum Dienst erschienen. Am 25. auch nicht, genauso wenig wie den Rest der Woche. Seine Sekretärin – Joan, die ebenfalls anwesend ist – hat ihn sowohl auf seinem Handy als auch auf dem Festnetzanschluss angerufen und Nachrichten hinterlassen. Außerdem wurde eine E-Mail verschickt. Wenn ich möchte, können sie die Mail für mich ausdrucken. Ich möchte und erhalte einen Ausdruck. Ich nehme mir ungefähr eine Minute Zeit, um sie durchzulesen, obwohl sie nur zwei Zeilen lang und völlig uninteressant ist. Aber da anhaltende Stille bereits verunsicherte Personen nur noch mehr verunsichert, sorge ich für eine Menge Stille. Der Zeitpunkt seines Verschwindens ist das einzig Interessante. Die Mancinis wurden am Sonntagabend, den 23., aufgefunden. Sie wurden entweder Freitagnacht oder Samstagvormittag ermordet. Vielleicht ist es ja nur Zufall, dass Fletcher um diese Zeit verschwand, doch ich finde diesen Zufall sehr vielversprechend.
    » Sie haben ihm eine E-Mail geschickt. Gehe ich recht in der Annahme, dass Mr Fletcher seine E-Mails von zu Hause aus abrufen kann?«
    Ja.
    » Wissen Sie, ob er sie abgerufen hat?«
    Diese Frage sorgt für Diskussion. Man einigt sich allgemein auf ein Nein, könnte aber noch mal in der IT nachfragen. Ich winke ab. » Wann haben Sie die Mail abgeschickt?«, frage ich stattdessen.
    » Am 27., das war ein Donnerstag. Ich glaube, an dem Tag habe ich ihn auch angerufen und die Nachrichten auf seiner Mailbox und seinem Anrufbeantworter hinterlassen.«
    Ich schreibe mir dieses Datum auf. Langsam. Schweigend.
    » Könnten Sie mir bitte seine Kontaktdaten geben?«
    Ja, ja, natürlich. Gehorsam eilt Joan aus dem Raum.
    Ich wende mich den Männern zu.
    » Wer von Ihnen ist Mr Fletchers Vorgesetzter?«
    Jim Hughes, der in der Mitte sitzt, meldet sich. Er sieht wie ein dicker Mann aus, der viel Gewicht verloren hat. Oder die Haut, die er trägt, ist ihm zwei Nummern zu groß. Er hat dunkles Haar und eine fast mediterrane Bräune.
    » Ist es normal, dass Ihre Angestellten einfach so verschwinden?«
    » Nein. Normal ist das nicht, nein.«
    » Verständlicherweise waren Sie an besagtem Montag nicht besonders besorgt. Ein Fehltag ist nicht weiter dramatisch. Aber spätestens am Mittwoch oder Donnerstag müssen Sie sich doch ernsthaft Sorgen gemacht haben.«
    » Ja.«
    »

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