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Totenklage

Totenklage

Titel: Totenklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Bingham
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einen Teil des Rattigan-Transport-Gebäudes in Beschlag genommen. Unser kleines Team hat sein Basislager in einem Konferenzraum aufgeschlagen. Dort riecht es nach warmen Laptops, Kopierpapier und Männerschweiß. Nach meinem Schweiß vermutlich auch. Die Klimaanlage hat sich Rattigan ebenfalls gespart.
    Ich lerne einiges dazu. Dinge, von denen ich nicht wusste, dass sie überhaupt existieren. Die Hochseeangelei vor der britischen Küste zum Beispiel. Die übliche Vorstellung vom Hochseefischen – Hemingway, muskelbepackte Unterarme, Floridasonne und zentnerschwere Marlins, die von Fischwaagen hängen – ist reiner Blödsinn. Nun ja, vielleicht gibt es so was ja im Golf von Mexiko, aber es ist reiner Blödsinn, was die Mündung des Severn und die Irische See angeht.
    In britischen Gewässern, jedenfalls in denen, in denen Brendan Rattigan und sein bester Kumpel Huw Fletcher zum Fischen waren, gibt es keine Marlins. Auch keine Thunfische. Überhaupt keine Fische, die man an Waagen hängend fotografieren und dann seinen Freunden im Pub zeigen kann.
    Man fängt Dorsche. Wittlinge. Und bescheuerte Heringe. Steinbutt. Kleine Kaltwasserfische, die im kalten Meer herumschwimmen. Graue Wellen, Regen. Ein Sport für Leute, die Tee in Thermoskannen mitnehmen und dann damit angeben, wie schlecht das Wetter war.
    An diesem Morgen rufe ich in Cefn Mawr an und habe wieder Miss Edelstahl an der Strippe. Ich nenne meinen Namen. Sie wirkt sehr unterkühlt. Fast feindselig. Sie sagt nicht mehr als nötig, aber das darf man auch erwarten, wenn man gutes Geld für Spitzenpersonal ausgibt. Selbst ihre Unfreundlichkeit hat Stil.
    » Hören Sie«, sage ich, » es tut mir leid, dass ich letztes Mal für Aufregung gesorgt habe. Aber es handelte sich um eine wichtige Ermittlung, und diese Fragen mussten gestellt werden.«
    » Wenn Sie das sagen.«
    » Diesmal muss ich Mrs Rattigan überhaupt nicht persönlich behelligen. Dürfte ich Ihnen vielleicht ein paar einfache Fragen stellen? Nur drei Fragen. Ehrenwort.«
    » Also gut.«
    » Erstens: Sagt Ihnen der Name Huw Fletcher etwas? Vielleicht ein Kollege oder ein Freund von Mr Rattigan?«
    » Nein, gar nichts.«
    » Kennen Sie einen Brian Penry?«
    » Nein.«
    » Okay. Letzte Frage. Eine gewisse Person, gegen die derzeitig ermittelt wird, behauptet, mit Mr Rattigan beim Hochseefischen gewesen zu sein. Nicht nur einmal, sondern regelmäßig, oft auch über mehrere Tage hinweg. Wahrscheinlich von Großbritannien aus, in der Irischen See, im Nordatlantik, möglicherweise auch in der Nordsee oder dem Baltikum.«
    Ich kann nicht einmal ausreden, da unterbricht sie mich schon. » Nein. Diese Information ist nicht korrekt. Mir wäre nicht bekannt, dass der verstorbene Mr Rattigan jemals Interesse an der Angelfischerei gezeigt hätte. Er hat ja noch nicht einmal im Fluss vor seinem Anwesen geangelt. Ich könnte mir kein Hobby vorstellen, das ihn weniger begeistert hätte. Wäre das alles?«
    Ich höre einen leisen Anflug von hämischem Triumph in ihrer Stimme. Sie denkt wohl, dass ich es vermasselt habe und dass wir Polizisten jetzt wie die Vollidioten dastehen. » Das war äußerst hilfreich«, säusele ich daher mit warmer Stimme. » Er hatte kein Interesse am Angeln? Großartig. Haben Sie vielen Dank.« Ich bemühe mich, so herablassend wie möglich zu klingen und sie ordentlich zu ärgern, bevor ich auflege, was mir das Gefühl gibt, eine weitere Angelegenheit zu meiner vollsten Zufriedenheit erledigt zu haben.
    Das war das große Highlight der Woche, die ich ansonsten damit verbringe, mich zusammen mit drei Junior-Ermittlern aus Gwent durch Berge von langweiligen Daten zu wühlen. Schiffe und Fahrtrouten von Rattigan Transport. Logistikprobleme. Kundenkontakte. Frachtbriefe. Zollgebühren. Zollverschlusslager. E-Mails. Anruflisten. Kontoauszüge.
    Keiner weiß, wonach wir eigentlich suchen. Wir nehmen mal an, dass wir es schon merken, wenn wir darauf stoßen – allerdings glaube ich nicht, dass das jemals geschehen wird. Entweder liegt es direkt vor unserer Nase oder es gibt überhaupt nichts zu finden. Wir zitieren Jim Hughes und seine Kollegen zu uns und lassen uns alle Fotos geben, auf denen ihre Kunden oder irgendjemand aus Fletchers Bekanntenkreis zu sehen sind. Die meisten haben nichts Verwertbares, doch Andy Watson hat ein paar Bilder auf seinem Handy, sodass wir anfangen können, Bilder und Namen zu sammeln. Die Namen lassen wir durch die Datenbank laufen. Die Bilder zeigen wir

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