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Totenklage

Totenklage

Titel: Totenklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Bingham
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Besonderen sind bisher dieser Ansicht. Trotzdem behaupte ich Jackson gegenüber, dass sie das bis zum Ende der Woche sehr wohl wären.
    Wieder hebt er seine buschigen Augenbrauen. » Wenn ich Sie Lohan zuteile, mit welcher DC Griffiths werde ich es dann zu tun bekommen?«
    Ich mache den Mund auf und wieder zu. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.
    » Passen Sie auf, Fiona. Operation Lohan würde von einer weiteren weiblichen Kraft profitieren, das steht außer Frage. Gethin hat bereits gefragt, ob ich Sie diesem Fall zuteilen will. Da habe ich drüber nachgedacht, und ich war kurz davor, ihm grünes Licht zu geben.«
    Ich will gerade ein » Vielen Dank« formulieren, doch um ein » Vielen Dank« geht es hier nicht. Es geht um das, was noch unausgesprochen ist, mir aber gleich um die Ohren fliegen wird.
    » Die gute DC Griffiths würde ich jederzeit nehmen, mit Kusshand. Aber die andere …? Diejenige, der ich einen Auftrag erteile und die dann endlos dafür braucht? Oder ihn schließlich ganz vermasselt? Oder im Schneckentempo bearbeitet? Oder überhaupt erst nach fünfzehn Ermahnungen damit anfängt? Oder dabei die Regeln verletzt, sodass es Beschwerden hagelt oder die Kollegen angepisst sind? Diejenige Griffiths, die eine langweilige Aufgabe so schlecht macht, bis man ihr endlich etwas anderes zu tun gibt?«
    Ich verziehe das Gesicht. Ich könnte jetzt nicht behaupten, dass ich nicht weiß, wovon er redet. Das weiß ich nämlich ganz genau.
    » Kriege ich beispielsweise die Fiona Griffiths, die dafür sorgt, dass Brendan Rattigans Witwe wegen irgendwelcher aus der Luft gegriffenen Spekulationen über das Sexualleben ihres verstorbenen Mannes einen Zusammenbruch erleidet?«
    Ich beiße mir auf die Lippen.
    Jackson nickt.
    » Ich erhielt heute Morgen einen Anruf aus Cefn Mawr. Keine Sorge, ich habe das geregelt. Es wird keine offizielle Beschwerde geben. Nichts Aktenkundiges. Aber auf dieses Telefonat hätte ich auch gerne verzichten können. Ich habe keine Lust, mir ständig den Kopf darüber zu zerbrechen, ob Sie nun erwachsene, intelligente Entscheidungen treffen oder das Erstbeste sagen und tun, das Ihnen gerade durch den Kopf geht.«
    » Das tut mir leid, Sir.«
    Was Jackson nicht extra erwähnen muss – da wir uns beide dessen durchaus bewusst sind –, ist ein weiterer Vorfall, der sich letztes Jahr ereignet hat, in meinem ersten Dienstjahr bei der Kriminalpolizei. Ich war sozusagen Detective Constable in Ausbildung. In der Probezeit. Es ging um eine vermisste Person, und wir mussten mühselig alle Freunde und Angehörigen befragen. Bei einem Großteil dieser Gespräche war ich einem anderen Beamten zugeteilt, damit ich von den älteren und erfahreneren Kollegen lernen konnte. Dann sollte ich zum ersten Mal alleine eine Vernehmung durchführen. Draußen in Trecenydd. Wir gingen davon aus, dass uns die betreffende Person nicht weiterhelfen würde. Es ging in erster Linie darum, meine Verhörtechnik zu verfeinern und Selbstvertrauen zu gewinnen. Dummerweise hielt es der zu Vernehmende für eine gute Idee, seine Hand auf meine Brust zu legen. Meine Reaktion fiel weder besonnen noch besonders würdevoll aus, und ein paar Minuten später musste ich einen Krankenwagen rufen, damit die verrenkte Kniescheibe des zu Vernehmenden behandelt werden konnte.
    Der ganze Vorfall war schwer einzuordnen. Einerseits bezweifelte niemand, dass ich sexuell belästigt wurde und es mein gutes Recht war, mich zu verteidigen. Andererseits wurden Stimmen laut, die die Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit meiner Reaktion in Frage stellten. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde beziehungsweise ein Disziplinarverfahren sprach mich von allen Anschuldigungen frei, aber solche Sachen hinterlassen trotzdem einen üblen Nachgeschmack.
    Jackson war auch in diesem Fall der verantwortliche Vorgesetzte. Soweit ich das beurteilen kann, reagierte er genau richtig. Er machte mich nach Vorschrift zur Sau, danach hielt er mir eine längere, aber aufrichtige » Wir können Ihnen helfen, wenn Sie uns helfen«-Predigt, und schließlich führten wir ein langes Gespräch, bei dem er ausschließlich und ich zum Großteil sehr vernünftige Dinge sagte. Danach wurden alle Formulare korrekt ausgefüllt und die Richtlinien aufs Genaueste befolgt. Fünf Wochen später saß ich zusammen mit anderen Polizeibeamten aus ganz Wales in einem Kursus über das Bewältigen gefährlicher und nicht eindeutig einzuschätzender Situationen. Der Tenor dieser Übung: Bevor man

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