Totenklage
geschickt und ohne zu zögern durch. Ich frage mich, wie er mit Brendan Rattigan ausgekommen wäre, wenn er ihn kennengelernt hätte. Ziemlich gut wahrscheinlich.
Dann denke ich über meine Situation nach. Ich bin aus meinem Haus geflohen, weil ich es dort nicht mehr ausgehalten habe. Morgen werden meine Fenster allerdings ebenso zerbrechlich sein wie heute, und die Schatten, die hinter Penry lauern, sind morgen ebenso dunkel und gefährlich.
Ob ich einen besonders feinen Sinn für Gefahr habe? Manchmal – nicht oft, aber mindestens einmal im Monat – wache ich völlig verängstigt mitten in der Nacht auf. Ich weiß nicht, warum. Vielleicht geht das anderen Leuten auch so und sie reden nur nicht darüber, doch das ist ziemlich unwahrscheinlich. Ich glaube, damit bin ich allein.
Dad spricht über gewisse Vorfälle, die Sicherheit in seinen Clubs betreffend. Nichts Ungewöhnliches, ab und zu ein Idiot mit einem Messer oder ein Betrunkener, der gewalttätig wird.
» Schlimm«, platzt es ohne nachzudenken aus mir heraus. » Ich überlege, ob ich mir nicht eine Pistole zulegen soll. Man weiß ja nie.«
Mehr sage ich nicht. Eigentlich eine blöde Idee, die ich am besten für mich behalten hätte. Aber Dad steigt voll drauf ein.
» Was meinst du, Schatz? Willst du zur Spezialeinheit? Als Detective darf man doch keine Waffe tragen, oder?«
Ich rudere sofort zurück. Nein, ich will zu keiner Spezialeinheit. Nein, ich glaube nicht, dass die Polizei von South Wales DC Griffiths erlauben würde, mit schweren Feuerwaffen zu hantieren. Ja, das war wahrscheinlich eine blöde Idee.
» Du meinst, du willst eine Waffe für zu Hause? Mit Waffenschein? Weißt du, heutzutage kriegt man doch sofort eine Schrotflinte oder so, wenn man auf die Jagd gehen will. Oder ein Luftgewehr. Aber eine Pistole ist nur am Schießstand erlaubt. Was auch völlig richtig ist. Es laufen ja so viel Verrückte rum. Wenn’s nach mir ginge, wären die verdammten Dinger schon lange verboten, allesamt.«
» Da bin ich ganz deiner Meinung. Das meine ich ja auch nicht. Aber, wie du sagst, es laufen viele Verrückte durch die Gegend.«
» Ist irgendetwas vorgefallen, Fi? Du kannst mir ruhig alles sagen. Vielleicht ist die Polizei doch nicht das Richtige für dich. Also, versteh mich nicht falsch, du machst tolle Arbeit. Das CID kann sich glücklich schätzen, dich zu haben. Ehrlich. Vergiss, was ich früher darüber gesagt habe. Aber du solltest keine unnötigen Risiken eingehen.«
Er schweigt. Die Schatten unseres alten Streits verdunkeln die helle Gegenwart.
Sein Argwohn gegen alles, was die Polizei betrifft. Seine Ängste. Meine Entschlossenheit, das zu tun, was ich wollte. Zwei Sturköpfe, die frontal aufeinanderprallen.
Fairerweise muss ich sagen, dass er Angst um mich hatte. Was ich damals leider nur nicht kapiert habe. Er war immer um meine Sicherheit besorgt, während und kurz nach meiner Krankheit sogar doppelt und dreifach. Er wollte nicht, dass ich nach Cambridge gehe. In den Anfangswochen des ersten Semesters kam er alle zwei oder drei Tage vorbei – unter dem Vorwand, geschäftlich in East Anglia zu tun zu haben. Das war natürlich gelogen, und ich habe ihm eindringlich befohlen, mich erst wieder am Ende des Semesters zu besuchen. Später, als ich mein Leben wieder auf die Reihe bekommen hatte – kein Rückfall, ausgezeichneter Universitätsabschluss, sogar ein paar Freunde –, war er der Meinung, dass eine Karriere bei der Polizei die völlig falsche Entscheidung war. Zu gefährlich. Zu viel Stress. Physische und psychische Risiken. Am liebsten wäre es ihm gewesen, wenn ich zu Hause geblieben wäre und als Buchhalterin oder so für ihn gearbeitet hätte. Nicht in einem seiner Clubs, eher so im Hinterzimmer. In seiner Vorstellung wären wir wohl das perfekte Dream-Team – was, wenn ich ehrlich bin, durchaus hätte klappen können.
Aber es sollte nicht sein. Meine Karrierevorstellung bestand nicht darin, Dads Stripclubs zu leiten. Nach meinem ersten Jahr in Uniform begrub Dad seine Hoffnungen, mich irgendwann unter dem Druck zusammenbrechen und den Dienst quittieren zu sehen, und überwies die erste Anzahlung auf mein Haus. Er wollte nicht, dass ich auszog, aber er akzeptierte es. Was bedeutete, dass er in den ersten Monaten wieder ständig vorbeikam, weil er » sowieso gerade in der Gegend war«.
Egal. Diese paar Sekunden des Schweigens fassen die ganze Auseinandersetzung ziemlich gut zusammen. Dad will mir damit sagen, dass ich
Weitere Kostenlose Bücher