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Totenklage

Totenklage

Titel: Totenklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Bingham
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gefragt.
    Bei acht Nummern aus Penrys Adressliste wurde ich nicht mit einem menschlichen Wesen verbunden. Diesen Nummern habe ich eine SMS geschickt: MÜSSEN UNS SCHNELLSTENS TREFFEN , HANDY WIRD MÖGLWEISE ABGEHÖRT , SMS AN NEUE NUMMER , BRIAN , gefolgt von meiner Handynummer. Ich erhielt fünf Antworten, von denen vier ziemlich überrascht klangen: WILLST DU MICH VERARSCHEN ? zum Beispiel oder DANN BIS SPÄTER IM PUB . MIKE .
    Die letzte dieser fünf Nachrichten ist allerdings ein wahres Prachtexemplar: WEHE , DU MELDEST DICH NOCH MAL . VERPISS DICH . VERPISS DICH EINFACH . FLETCH .
    Diese SMS finde ich aus mehreren Gründen liebenswert. Zum einen weist sie weder Rechtschreibfehler noch falsche Interpunktion auf. Außerdem gefällt mir die Wiederholung von » Verpiss dich«. Nicht sehr elegant, aber wirkungsvoll. Könnte glatt ein Motto von mir sein. Am besten finde ich den » Fletch«. Ein zu einem Spitznamen verkürzter Nachname. Noch weiß ich nicht, wer Mr oder Ms Fletcher ist und wie er oder sie ins Bild passt. Aber ich weiß, dass ich lieber mit dem rätselhaften Fletcher als mit dem gruseligen Karol Sikorsky zu tun haben will.
    Während ich noch über Fletchers Text nachgrüble, kommt Jane Alexander zu mir herüber.
    » Alles klar?«
    » Ja. Ich musste am Wochenende zum Zahnarzt. Ein Notfall. Fühlt sich an, als wäre ein Lastwagen über mein Gesicht gebrettert.«
    » Himmel, jetzt, wo du es sagst. Tut mir leid. Das sieht übel aus.«
    » Ach so, du meintest …«
    » Ja. Am Samstag. Es war sehr mutig von dir, durch das Fenster zu steigen.«
    Ich zucke mit den Schultern. Es kann ja nicht schaden, wenn einen die Kollegen für hart im Nehmen halten. Wenn es auch nicht unbedingt der Wahrheit entspricht. » Ich bin froh, dass du dabei warst.«
    » Trotzdem – willst du heute Nachmittag wirklich mit?«
    » Nutten ausquetschen?«
    » Ja.« Ein etwas strenges Ja. » Nach dem Mittagessen? Um zwei?«
    Ich bin einverstanden. Das ist eine gute Zeit. Sobald Jane weg ist, rufe ich Bryony Williams an. Sie geht ans Telefon, aber im Hintergrund hört es sich so an, als wären zweihundert Kinder damit beauftragt, so viel Lärm wie möglich zu machen.
    » Können wir reden?«, frage ich, nachdem ich ihr irgendwie verständlich gemacht habe, wer gerade anruft.
    » Klar. Eine Sekunde.« Ich höre, wie eine Tür geschlossen wird und der Geräuschpegel dramatisch abnimmt. » Tut mir leid. Ich bin eigentlich Kunstlehrerin. Aber die kann ich schon für einen Augenblick allein lassen.«
    Ich frage sie, ob wir uns zum Mittagessen treffen wollen. Wie sich herausstellt, arbeitet sie gleich in der Nähe, und wir verabreden uns für ein Uhr im Cathays Park. Sie wird mir eine große Hilfe sein, wenn ich den ganzen Nachmittag mit Jane Vernehmungen durchführen soll. Ich will so gut wie möglich vorbereitet sein.
    Dann suche ich in der Datenbank nach interessanten Fletchers, finde jedoch niemanden, der meine Aufmerksamkeit erregt. Ich sehe die Penry-Akte noch mal durch. Eigentlich habe ich in solchen Dingen ein ziemlich gutes Gedächtnis, aber ein nochmaliger Blick darauf schadet ja nie. Leider habe ich kein Glück.
    Viertel nach zehn. Ich muss in zwei Stunden los. Zwei Stunden, um einen Fletcher zu finden. Fletcher. Der Pfeilmacher. Das bedeutet Fletcher nämlich. Ein Waffenproduzent.
    Ich versuche alles, um ihn ausfindig zu machen. Datenbanken. Zeitungsarchive. Google. Alles, was ein tüchtiger Polizist so macht, aber ich finde nichts Brauchbares. Oder ich habe etwas ziemlich Offensichtliches übersehen.
    Dann ist die Zeit um. Verflucht, schon fast ein Uhr. Ich renne in den Park und komme gerade rechtzeitig zu meiner Verabredung mit Bryony Williams.

24
    Butetown.
    Der Morgen war noch recht sonnig, aber dann zogen Wolken von der Cardiff Bay auf und liegen nun schwer über den warmen Straßen und versperren der Hitze jeden Fluchtweg. Die Stadt fühlt sich genauso an, wie sie ist: ein hässlicher Haufen Ziegel und Beton in dem schmalen Spalt zwischen Himmel und Erde, in dem hässliche Dinge geschehen. Wir sind nur ein paar hundert Meter von der Allison Street Nr. 86 entfernt. Die Gespenster, die diesen Ort heimsuchen, sind ganz in der Nähe.
    Jane Alexander ist ganz ihr normales, barsches, hübsches, effizientes Selbst. Ich bin das genaue Gegenteil und immer noch von den gestrigen Ereignissen mitgenommen. Mein Nacken tut weh, als hätte Penrys Schlag irgendetwas verschoben, das sich noch nicht wieder eingerenkt hat. Aber es ist weniger

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