Totenklage
hat, damit es für eine Anklage reicht, denn dann wendet sich das Blatt. Dann erhält man weitere Informationen im Austausch gegen kleine Gefälligkeiten. Plötzlich werden Durchsuchungsbefehle für Wohnungen ausgestellt, zu denen man bislang keinen Zugang hatte. Man erhöht den Druck so lange, bis sich irgendwo ein Leck auftut, der sprichwörtliche Riss im Damm, der früher oder später alles zum Einsturz bringt.
In der Zwischenzeit kommt es ganz unerwartet zu einem weiteren Durchbruch. Die Serious Organised Crime Agency, eine allein dem Innenministerium unterstellte Behörde, hat – nach der dritten Nachfrage – eine Adresse in London herausgerückt, wo Sikorsky mutmaßlich von Zeit zu Zeit untertaucht. Bev Rowland erzählt, Jim Davis (der noch immer nicht mit mir spricht und, da bin ich mir ganz sicher, keine Gelegenheit auslässt, um schlecht über mich zu reden) hätte das Gerücht in die Welt gesetzt, dass die SOCA Lohan übernehmen will. Doch das ist ziemlich unwahrscheinlich. Das organisierte Verbrechen ist zwar so gut wie sicher in den Fall involviert, aber noch gibt es dafür nicht genug Hinweise, als dass sich die SOCA darum kümmern müsste. Außerdem ist Jackson ein weithin geachteter DCI . Seine Vorgehensweise ist über jeden Zweifel erhaben. Obwohl handfeste Beweise noch ausstehen, haben wir bereits ein paar Spuren, die wir weiterverfolgen können, und tun dies auch fieberhaft. Fürs Erste befiehlt Jackson, Sikorskys Londoner Adresse zu überwachen, falls er dumm genug sein sollte, dort aufzutauchen. Wenn nicht, wird er sich einen Durchsuchungsbefehl ausstellen lassen und die Bude auf den Kopf stellen.
Jackson scheint mit diesen Entwicklungen zufrieden zu sein, da er Dienstag nach dem Mittagessen mich und Jane Alexander an ihrem Schreibtisch aufsucht. » Diese Balcescu-Befragung, das war gute Arbeit«, sagt er. » Sehr gut. Weiter so.«
Wir bedanken uns schön. Jane errötet, als wäre sie gerade zur Klassensprecherin gewählt worden.
» Ich hoffe, sie benimmt sich«, sagt Jackson und deutet auf mich.
» Jawohl, Sir. Sehr gut sogar. Bei Balcescu hat sie großartige Arbeit geleistet. Es war Fiona, die …«
Jane will gerade etwas Nettes über mich sagen, aber da fällt mir ein, dass es Jacksons ausdrückliche Anweisung war, sie hätte die Ermittlungen zu leiten. Da soll er nicht erfahren, dass ich die Zügel in die Hand genommen habe. Obwohl es ja noch mal gut gegangen ist.
» … den Tee geholt hat, Sir«, unterbreche ich sie. » Sie nimmt Milch, aber keinen Zucker.« Ich deute auf Jane. » Balcescu wollte nur ein Stück Zucker, aber angesichts der Umstände habe ich ihr zwei spendiert.«
» Und, war der Tee genießbar?«, fragt er Jane.
» Er war prima.«
» Dann ist ja gut.«
Jackson sagt noch einmal » Gut«, dann zieht er murmelnd von dannen. Jane sieht mich überrascht an. Ich erkläre ihr, warum Jackson denken soll, dass ich seine Befehle befolge. » Das fällt mir nicht immer leicht«, sage ich.
» Sag bloß.«
Jane sieht einen Augenblick lang so aus, als hätte sie noch etwas hinzuzufügen. Tut sie aber nicht, und wir wenden uns wieder unserer Arbeit zu.
Die geliebte Arbeit. Langweilig, notwendig, sicher.
Am Dienstag fahre ich wieder in meine Wohnung, komme mir wieder verletzlich und einsam vor und flüchte, um einen weiteren schönen Abend im Kreise der Familie zu verbringen. Das Thema Pistole habe ich seitdem nicht mehr angesprochen. Dad fragt mich, ob ich in letzter Zeit die Alarmanlage überprüft habe. Nein, sage ich. Wer überprüft denn seine Alarmanlage? Ich hatte keine Ahnung, dass die überhaupt überprüft werden muss. Er verspricht mir, jemanden vorbeizuschicken, und da ich ihn sowieso nicht davon abhalten kann, erkläre ich mich einverstanden.
Der Mittwoch ist ein Papierkram-Tag, was mir ganz recht ist. Jane und ich führen nur eine einzige, unergiebige Routinebefragung durch. Sehr gut. Im Moment habe ich nichts gegen Langeweile einzuwenden.
Bis auf das Gespräch mit Balcescu konnten Jane und ich bei unseren Vernehmungen nicht viel herausfinden, doch die Arbeit mit ihr hat mir sehr gut gefallen. Bis auf die eine Ausnahme hat sie die Fragen gestellt und ich die Notizen gemacht. Sie handelt streng nach Vorschrift. Ich auch. Routine gibt Sicherheit. Drei der Frauen, mit denen wir geredet haben, wollten kaum mehr als das Nötigste sagen. Eine gewisse Tania, ein walisisches Mädchen vom Lande, redete ununterbrochen, hauptsächlich über die Vorlieben ihrer Freier,
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